Eine Razzia tief im Amazonas-Regenwald. Zehn Agenten der brasilianischen Umweltbehörde IBAMA suchen nach Kriminellen, die illegal Bäume fällen und den Dschungel zerstören. Begleitet werden sie von schwer bewaffneten Bundespolizisten. Es ist der erste Einsatz in der Amtszeit des neuen brasilianischen Präsidenten, Luiz Inacio Lula da Silva, die Anfang Januar begonnen hat. Sein Vorgänger Jair Bolsonaro hat die Abholzung sogar noch vorangetrieben. Lula hat versprochen, sie zu beenden.
Givanildo dos Santos, Leiter der IBAMA-Mission:
»Der Kurs der früheren Regierung hat viele Menschen dazu veranlasst, in Gebiete einzudringen, Wälder abzuholzen und Farmen anzulegen. Sie sie dachten, dass die Regierung das Land der Eingeborenen beseitigen und das Eindringen für die Viehzucht legalisieren würde.«
Satellitenbilder brachten die Beamten auf die Fährte der Rodungen, die in diesem indigenen Reservat streng verboten sind: Es liegt im Norden des Landes, im Bundesstaat Para, in der Nähe des Regierungsbezirks Uruará.
Holzfäller und Viehzüchter haben hier vor kurzem illegal den Wald abgeholzt und zum Teil verbrannt. Die massiven Brandrodungen führten sogar dazu, dass der Amazonas-Regenwald in manchen Jahren mehr CO2 freigesetzt hat, als er aufnehmen konnte.
Im ganzen brasilianischen Amazonasgebiet sind nach offiziellen Angaben seit 1990 etwa 18 Prozent des Regenwaldes abgeholzt und zerstört worden.
Unter Ex-Präsident Bolsonaro stiegen die Rodungen sprunghaft an: Der ultrarechte Politiker lockerte die Gesetze zum Schutz des Waldes und kürzte den Überwachungsbehörden die Mittel. Die Folge: 2020 wurde rund doppelt so viel Wald abgeholzt wie 2012, 2021 war es fast dreimal so viel. Unter Bolsonaro hat der brasilianische Regenwald eine Fläche verloren, die größer ist als Dänemark. Allein im letzten Jahr circa 12.000 Quadratkilometer.
Doch nun ist Lula da Silva – wieder - Staatspräsident und hat Brasiliens den Umweltschutz zu einem seiner Kernanliegen erklärt.
Jens Glüsing, SPIEGEL-Korrespondent in Brasilien:
»Lula hat ja im Wahlkampf versprochen – auch jetzt wieder auf der auf der COP, auf der Umweltkonferenz in Ägypten – bis 2030 die Abholzung komplett zu stoppen. Das ist, würde ich mal sagen, sehr sportlich. Das ist schwierig. Er hat allerdings unter den ersten beiden Amtszeiten von 2003 bis 2010 bewiesen, dass eine Reduktion, also eine Verringerung der Abholzung, um über 80 Prozent möglich ist. Das hat er geschafft.«
Aber auch unter Präsident Lula geht die Abholzung vorerst weiter. Ein sofortiges Verbot aller Rodungen im Amazonas ist politisch kaum umsetzbar.
Jens Glüsing, SPIEGEL-Korrespondent in Brasilien:
»Lula will auf der einen Seite den Urwald schützen, auf der anderen Seite braucht das Amazonasgebiet natürlich auch eine gewisse Infrastruktur, das heißt vor allem Straßen. «
An viele der Straßen, die von der Regierung durch den Regenwald gezogen wurden, bauen Anwohner allerdings illegale Seitenarme, um ihre Heimat an das Verkehrssystem anzuschließen.
Um die weitere Zerstörung des Regenwaldes zu bekämpfen, unterstützt auch Deutschland die neue brasilianische Regierung. Nur: reicht das?
Jens Glüsing, SPIEGEL-Korrespondent in Brasilien:
»Die einfache Antwort ist: Nein, Deutschland tut nicht genug. Die etwas kompliziertere, differenziertere Antwort ist: Ja, aber man muss sehr genau hingucken, wie das Geld ausgegeben wird. Es ist so: Der größte Teil der deutschen Hilfe für das Amazonasgebiet kam über den Amazonas-Fonds, finanziert zusammen vor allem mit Norwegen. Norwegen zahlt über 80 Prozent in den Fond ein, ungefähr eine Milliarde Dollar und Deutschland 10 Prozent – und die restlichen 10 Prozent stückeln sich irgendwie so zusammen. Dieses Geld war eingefroren worden. In Fall von Deutschland waren das 35 Millionen Euro. Die waren eingefroren waren worden unter Bolsonaro, weil Bolsonaro das Geld zweckentfremden wollte. Das Geld wird jetzt wieder freigegeben. Aber 35 Millionen sind natürlich bei einem Riesengebiet wie dem Amazonasgebiet sehr wenig.«
Die IBAMA-Agenten suchen auch in den folgenden Tagen weiter nach Umweltzerstörern. Doch viele der Gebiete, die sie untersuchen, scheinen verlassen. Nur einige Maispflanzen wachsen hier noch kniehoch – ein Zeichen für die Beamten, dass das Gebiet in Viehweiden umgewandelt werden sollte. Die illegalen Holzfäller und Viehzüchter, die dafür verantwortlich sind, haben sich aus dem Staub gemacht.
David Baselshoff, IBAMA-Agent:
»Wir brauchen strengere Gesetze und mehr Personal, um sie zu bekämpfen. Denn oft üben wir Druck auf eine Abholzungsfront aus, und sie ziehen schnell an einen anderen Ort, also brauchen wir die Logistik, damit das Team sie überall bekämpfen kann.«
Die Suche geht weiter. Die Zerstörung des Regenwalds vorerst auch. Bleibt nur zu hoffen, dass das Ökosystem Amazonas bis zum Ende der Abholzung nicht schon verloren ist.