Amnesty International Leiterin des Ukrainebüros nach umstrittenem Bericht zurückgetreten

Amnesty International warf der Ukraine vor, Zivilisten zu gefährden – und wurde dafür scharf angegangen. Oksana Pokaltschuk, Leiterin des Büros in Kiew, bezeichnete den Bericht als »russisches Propagandainstrument«.

Nach der Veröffentlichung eines kritischen Berichts über die ukrainische Armee ist die Leiterin des Ukrainebüros der Menschenrechtsorganisation Amnesty International zurückgetreten. Das gab Oksana Pokaltschuk am späten Freitagabend auf Facebook  bekannt und warf Amnesty vor, russische Propaganda zu übernehmen.

Amnesty hatte mit dem am Donnerstag vorgelegten Bericht  Empörung in Kiew ausgelöst. Präsident Wolodymyr Selenskyj warf der Organisation vor, sie habe damit »Opfer und Angreifer gewissermaßen auf eine Stufe gestellt«. In dem Bericht hatte Amnesty der ukrainischen Armee vorgeworfen, Zivilisten zu gefährden, indem sie etwa Stützpunkte in Wohngebieten, Schulen und Krankenhäusern errichtet habe.

»Wenn Sie nicht in einem Land leben, in das Besatzer einfallen, die es in Stücke reißen, verstehen Sie wahrscheinlich nicht, wie es ist, eine Armee von Verteidigern zu verurteilen«, erklärte Pokaltschuk. »Und es gibt keine Worte in irgendeiner Sprache, die dies jemandem vermitteln können, der diesen Schmerz nicht erlebt hat.«

Pokaltschuk sagte, sie habe versucht, die Leitungsspitze von Amnesty zu warnen, dass der Bericht einseitig sei und die ukrainische Position nicht ausreichend berücksichtige. Sie sei jedoch ignoriert worden. Amnesty gibt an, dass die Organisation am 29. Juli Beamte des ukrainischen Verteidigungsministeriums kontaktiert habe. Diese hätten aber auf die Bitte um eine Stellungnahme zu den Erkenntnissen des Berichts nicht rechtzeitig vor der Veröffentlichung am 4. August geantwortet.

Das sei nicht annähernd genug Zeit, erklärte Pokaltschuk. »In der Folge hat die Organisation unbeabsichtigt eine Erklärung abgegeben, die wie eine Unterstützung der russischen Narrative klang. In dem Bemühen, Zivilisten zu schützen, wurde dieser Bericht stattdessen zu einem russischen Propagandainstrument«, kritisierte sie. Amnesty-Generalsekretärin Agnès Callamard hatte am Freitag noch erklärt, die Organisation stehe »voll und ganz« zu ihrem Bericht.

tgk/afp
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