Botschafter Melnyk »Uns kann es nicht darum gehen, zwischen bösen Russen und guten Russen zu unterscheiden«

Andrij Melnyk hat keine Hoffnung, dass sich eine Mehrheit der Russen gegen den Krieg stellt. Im Interview mit der »FAZ« sprach sich der ukrainische Botschafter auch gegen Benefizkonzerte zur Versöhnung aus.
Botschafter Melnyk (Foto aus dem März)

Botschafter Melnyk (Foto aus dem März)

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Christian Spicker / IMAGO

»Wir hoffen, dass das, was man jetzt gesehen hat, auch in Deutschland endlich begriffen wird«: Der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, hat sein Unverständnis über die Gräueltaten im Kiewer Vorort Butscha zum Ausdruck gebracht. »Putin führt einen Vernichtungskrieg. Nicht nur gegen den ukrainischen Staat, sondern auch gegen die Ukrainer, gegen die Zivilisten«, sagte der Spitzendiplomat in einem Interview mit der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« .

Hoffnungen, dass sich die beiden Staaten und ihre Bürger bald wieder annähern könnten, erteilte Melnyk eine Absage. »Ich sage es ganz klar: Russland ist ein Feindstaat für uns. Und alle Russen sind Feinde für die Ukraine im Moment.« Das könne sich zwar ändern, momentan gebe es aber keine Zeit zu fragen: »Bist du gegen Putin oder für ihn?«

Darauf angesprochen, dass derartige Rhetorik den Krieg vermutlich nicht beenden werde, äußerte Melnyk Hoffnungslosigkeit mit Blick auf Widerstand aus der russischen Gesellschaft. »Wir haben keine Illusionen, auch in Bezug auf die sogenannte russische Opposition«, sagte der Botschafter. »Egal ob an der Machtspitze oder in der Opposition: Die Ukraine war, ist und wird wahrscheinlich für lange Zeit ein Feind der russischen Gesellschaft bleiben.« Für die Propagandisten des Kremls gehe es derzeit nur darum, die Ukraine als »Erzfeind Nummer eins« darzustellen.

Absage an russisch-ukrainische Benefizkonzerte

Melnyk verteidigte zudem seinen Boykott von Veranstaltungen, auf denen Russen und Ukrainer gemeinsam für den Frieden auftreten: »Solange der Krieg Russlands in dieser Grausamkeit auf unserem Boden tobt, kann ich mir nicht vorstellen, dass man miteinander feiert.«

»Uns kann es jetzt nicht darum gehen, zwischen bösen Russen und guten Russen zu unterscheiden«, so der Botschafter zu gemeinsamen Auftritten von Kulturschaffenden. Nicht Putin habe die Menschen in Butscha ermordet. »Das waren konkrete Menschen aus verschiedenen Regionen Russlands. Sie haben ihre Verwandten, sie telefonieren nach Hause, sie plündern Häuser.«

Eine Einladung zu einem von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier veranstalteten Solidaritätskonzert Ende März hatte Melnyk zuletzt ausgeschlagen und als »Affront« bezeichnet. Kurz darauf kritisierte er in einem Interview die Haltung des Bundespräsidenten gegenüber Russland: »Für Steinmeier war und bleibt das Verhältnis zu Russland etwas Fundamentales, ja Heiliges, egal was geschieht.« Steinmeier räumte daraufhin eigene Fehler im Umgang mit Russland ein.

fek
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