Außenministerin Baerbock über Ernährungskrise »Russland nutzt Hunger ganz bewusst als Kriegswaffe«

Bei einer internationalen Konferenz zur Ernährungssicherheit hat Annalena Baerbock die russische Führung scharf kritisiert: Diese mache »die ganze Welt zur Geisel«. Die Lage sei hochdramatisch.
Baerbock mit ihrem US-Amtskollegen Antony Blinken in Berlin: »Wir lassen nicht zu, dass der russische Angriffskrieg die Welt in Hunger stürzt«

Baerbock mit ihrem US-Amtskollegen Antony Blinken in Berlin: »Wir lassen nicht zu, dass der russische Angriffskrieg die Welt in Hunger stürzt«

Foto: IMAGO/Florian Gaertner / IMAGO/photothek

Annalena Baerbock hat die internationale Staatengemeinschaft zum entschlossenen Kampf gegen die sich verschärfende Hungerkrise in der Welt aufgerufen. »Es werden über 44 Milliarden Euro dieses Jahr gebraucht, die erst zur Hälfte finanziert sind«, sagte die Bundesaußenministerin in Berlin.

Die Lage sei hochdramatisch. 345 Millionen Frauen, Kinder und Männer seien weltweit von Nahrungsmittelknappheit bedroht. »Es ist eine Hungerkrise, die sich wie eine lebensbedrohliche Welle vor uns auftürmt.« Die Gründe dafür seien zum Teil nicht neu und zum Beispiel im Klimawandel und in den Folgen der Coronapandemie zu suchen. »Aber erst Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hat aus einer Welle einen Tsunami gemacht«, sagte Baerbock. »Russland nutzt Hunger ganz bewusst als Kriegswaffe und macht die ganze Welt zur Geisel.«

Die Außenministerin äußerte sich zusammen mit Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) und Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) vor einer internationalen Konferenz zur Ernährungssicherheit in Berlin. Dazu hätten kurzfristig rund 50 Delegationen zugesagt, etwa 40 Ministerinnen und Minister seien gekommen, sagte Baerbock. Auch US-Außenminister Antony Blinken war dazu nach Berlin gereist.

»Mehrdimensionale Kriegsführung«

Schulze erläuterte, rund 400 Millionen Menschen weltweit würden normalerweise mit Lebensmitteln aus der Ukraine versorgt. In vielen Ländern blieben diese Lieferungen jetzt aus, noch mehr Länder litten unter den hohen Weltmarktpreisen infolge des Kriegs in der Ukraine. »Es sind wie immer die Ärmsten, die am stärksten leiden.« Diesen Menschen bleibe oft nur der Hunger. Die Bundesregierung werde in diesem Jahr insgesamt rund vier Milliarden Euro zur Bekämpfung des Hungers weltweit investieren.

Es gehe auch darum, mit mehr Nachhaltigkeit die nächste und übernächste Ernährungskrise zu vermeiden. Nötig seien mehr Anbau von stärker klimaangepassten Sorten wie Hirse in den Entwicklungsländern, mehr Lagerkapazitäten vor Ort und mehr regionaler Handel, betonte Schulze.

Özdemir sprach von einer »mehrdimensionalen Kriegsführung« des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Diese wolle die Ukraine militärisch besiegen, führe einen Hungerkrieg gegen den Globalen Süden und einen Energiekrieg gegen die Europäische Union. »Darum ist die Botschaft heute auch: Wir werden uns nicht von Putin einschüchtern lassen. Jetzt geht es auch darum zu zeigen, aus welchem Holz wir geschnitzt sind.«

Baerbock mit Landwirtschaftsminister Cem Özdemir in Berlin: »Lebensbedrohliche Welle«

Baerbock mit Landwirtschaftsminister Cem Özdemir in Berlin: »Lebensbedrohliche Welle«

Foto: Filip Singer / EPA

Baerbock und Blinken kündigen mehr Hilfe an

Gemeinsam mit ihrem US-Amtskollegen Blinken kündigte Baerbock an, mehr gegen die drohende Hungerkrise zu unternehmen. »Unsere Botschaft als G7 ist klar. Wir lassen nicht zu, dass der russische Angriffskrieg die Welt in Hunger stürzt. Wir handeln gemeinsam«, sagte Baerbock. Die stärksten Industriestaaten der Welt handelten in einer besonderen Verantwortung, auch wenn sie diese Hungerkrise, die sich durch den russischen Angriffskrieg verschärfe, nicht ausgelöst haben.

Blinken dankte Deutschland für Führung in dieser Frage. »Der einzige Grund für dies nun ist Russlands Aggression gegen die Ukraine und Russlands Blockade von Weizen und anderen Nahrungsmitteln, die aus der Ukraine exportiert werden sollen«, sagte er. »Wir sind geschlossen in der Verteidigung gemeinsamer Werte. Wir sind geschlossen in der Verteidigung von Menschenrechten und Demokratie und des internationalen Rechts«, sagte der US-Außenminister.

asa/dpa
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