Proteste nach verheerender Explosion Demonstranten stürmen Außenministerium in Beirut

In Beirut machen Demonstranten die Regierung für die Explosion im Hafen der libanesischen Hauptstadt verantwortlich. Am Samstag kam es zu heftigen Zusammenstößen mit Sicherheitskräften.
Demo in Beirut

Demo in Beirut

Foto: Felipe Dana/ AP

Vier Tage nach der verheerenden Explosion im Hafen von Beirut sind bei Protesten in der libanesischen Hauptstadt mindestens 130 Menschen verletzt worden. 28 von ihnen seien in umliegende Krankenhäuser gebracht, 102 vor Ort behandelt worden, teilte das libanesische Rote Kreuz bei Twitter mit.

Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete außerdem von Schüssen. Die Polizei bestätigte demnach, dass entsprechende Geräusche im Zentrum der libanesischen Hauptstadt zu hören waren. Die Umstände waren zunächst unklar.

Auf Fernsehaufnahmen waren mehrere blutende Menschen zu sehen, nachdem die Polizei Gummigeschosse und Tränengas gegen Demonstranten eingesetzt hatte. Diese hatten versucht, die Absperrung zum Parlament zu durchbrechen. Dabei warfen sie Steine.

"Beirut ist die Hauptstadt der Revolution"

Einigen Demonstranten gelang es, in das libanesische Außenministerium einzudringen, wie der Fernsehsender MTV berichtete. Sie wurden demnach von ehemaligen Armeeoffizieren angeführt. Auf Bildern des Senders war zu sehen, wie sie ein Bild von Präsident Michel Aoun zertrümmern. Die Aktivisten hängten ein großes Plakat mit dem Slogan "Beirut ist die Hauptstadt der Revolution" auf.

Ein Demonstrant rief durch ein Megafon: "Wir bleiben hier. Wir rufen die Libanesen auf, alle Ministerien zu okkupieren!"

Tausende protestieren friedlich

Im Zentrum Beiruts protestierten Tausende friedlich gegen die politische Führung. Sie machen die Regierung für die Explosion mit mehr als 150 Toten und mehr als 6000 Verletzten verantwortlich. Offenbar lagerten über Jahre große Mengen der hochexplosiven Chemikalie Ammoniumnitrat ohne besondere Sicherheitsvorkehrungen im Hafen. Dies soll die gewaltige Explosion verursacht haben. Warnungen wurden Berichten zufolge ignoriert.

Nachdem viele Beiruter sich an Aufräumaktionen beteiligt hatten, zogen sie auf die zerstörten und mit Trümmern übersäten Straßen, um ihrer Wut auf die politische Elite Luft zu machen. "Rache, Rache bis zum Sturz des Regimes", skandierten sie.

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Aufräumen und demonstrieren

Foto: HANNAH MCKAY/ REUTERS

Viele Demonstranten hielten Flaggen oder Fotos von Unglücksopfern in die Höhe. Vereinzelt schwenkten Protestierende auch Schlingen, auf dem Märtyrer-Platz im Zentrum von Beirut waren bereits am Freitag hölzerne Guillotinen errichtet worden. Protestaufrufe in Onlinenetzwerken wurden mit dem Hashtag #HangThem (#HängtSie) versehen.

Schon im vergangenen Oktober hatten Libanesen bei Massendemonstrationen eine grundlegende Reform des politischen Systems gefordert. Seit das Land unter der vielleicht schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise seiner Geschichte leidet, hat die Wut der Bürger allerdings einen neuen Höhepunkt erreicht. Die Corona-Pandemie hat die Lage weiter verschärft. 

 

mfh/AFP/Reuters
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