Belarus in der Nacht nach der Präsidentenwahl. Bei Protesten gegen Wahlmanipulation ist es zu schweren Ausschreitungen zwischen Demonstranten und Polizisten gekommen.
Schon in den Monaten vor der Wahl wurden laut Menschenrechtlern mehr als 1.300 Anhänger der Opposition festgenommen. Auch in der Nacht folgten weitere Festnahmen, die Menschenrechtsorganisation Wesna sprach von mehr als 50.
Nach offiziellen Angaben gab es zwar keine Verletzten. Doch die Bilder aus der Hauptstadt Minsk zeigen: Diese Darstellung ist falsch. Ein Mensch soll nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen sogar gestorben sein.
Ivan, belarussischer Demonstrant:
"So sehen Wahlen in Belarus aus."
Die Wahlkommission hat Amtsinhaber Alexander Lukaschenko mittlerweile zum klaren Sieger erklärt. Rund 80 Prozent der Wähler sollen für den 65-Jährigen gestimmt haben. Die Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja hat demnach knapp zehn Prozent der Stimmen erhalten haben. Sie kündigte bereits an, die Niederlage nicht anzuerkennen. Und sie zeigte sich kämpferisch.
Swetlana Tichanowskaja, Präsidentschaftskandidatin Belarus:
"Ich glaube, dass wir bereits gewonnen haben, weil wir unsere Angst besiegt haben, unsere Gleichgültigkeit gegenüber der Politik, unsere Teilnahmslosigkeit. Solche Siege sind wichtiger als alle anderen Siege. Es sind sehr wichtige Siege im Leben eines jeden Menschen."
Wahlbeobachter sprechen von massiven Manipulationen vor und während der Abstimmung. Kandidaten wurden ausgeschlossen, Medien an ihrer Arbeit gehindert, das Internet eingeschränkt, dann noch die vielen Festnahmen. Entsprechend groß war die Wut vieler Belarussen - wenn auch hier und da verpackt in Ironie.
Mikhail, belarussischer Demonstrant:
"Schauen Sie! Das sind Lukaschenkos Geschenke. Hier kommen sie. Wir sind unserem Präsidenten dankbar. Wir dürfen spazieren gehen, Fahrrad fahren, uns aufreihen. Freiheit ist überall!"
Zehntausende Menschen gingen auf die Straße. Sie waren schon vor der Wahl unzufrieden – wegen der schlechten Wirtschaftslage, der Verletzung der Menschenrechte und Lukaschenkos Umgang mit der Corona-Krise. Er hatte die Krankheit als "Psychose" bezeichnet und Wodka und Eishockey als Gegenmittel vorgeschlagen. Lukaschenko regiert in Belarus bereits seit 26 Jahren diktatorisch.
Bis zum Morgen beruhigten sich die Ausschreitungen zwar. Aber die Opposition hat bereits neue Proteste angekündigt.