Protest gegen Lukaschenko Demonstranten in Belarus ändern Taktik

Die Opposition in Belarus geht erneut auf die Straße. Nach der gewaltsamen Niederschlagung von Großkundgebungen versuchen es die Demonstranten nun auf andere Weise.
Belarussische Sicherheitskräfte rennen am Sonntag Demonstranten in Minsk hinterher

Belarussische Sicherheitskräfte rennen am Sonntag Demonstranten in Minsk hinterher

Foto: STRINGER / AFP

Bei den wöchentlichen Protesten in Belarus gegen den autoritär regierenden Präsidenten Alexander Lukaschenko haben die Demonstranten ihre Taktik geändert. Statt einer einzigen Großdemonstration meldeten lokale Medien am Sonntag etwa 20 dezentrale Kundgebungen in der Hauptstadt Minsk.

»Die Lukaschenko-Polizei eilt verzweifelt von Bezirk zu Bezirk«, hieß es in der Gruppe »Nexta Live« im Messenger-Dienst Telegram, mit deren Hilfe die Massenproteste koordiniert werden.

In ausnahmslos allen Vierteln der belarussischen Hauptstadt fanden demnach Demonstrationen statt. Mit der Änderung der Taktik reagierten die Teilnehmer auf die regelmäßige, gewaltsame Niederschlagung ihrer Proteste und Massenfestnahmen in den vergangenen Wochen. Viele Oppositionsanhänger berichteten von Folter und Misshandlungen während ihrer Haft.

Blendgranaten und Tränengas gegen Demonstranten

Wie in den vergangenen Wochen gingen auch diesen Sonntag wieder Tausende Menschen auf die Straßen, um friedlich gegen Lukaschenko zu protestieren. Wieder wurden während der Proteste zahlreiche U-Bahn-Stationen in Minsk abgesperrt; die Behörden drosselten zudem das Mobilfunknetz.

Auch Blendgranaten und Tränengas wurde laut der Nachrichtenseite Tut.by eingesetzt. Videos bei Telegram zeigten, wie vermummte Uniformierte auf Menschen am Boden einprügelten. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Wjasna nahm die Polizei am Sonntag mehr als 120 Menschen fest.

Die inhaftierte Oppositionelle Maria Kolesnikowa sagte über ihre Anwältin dieses Wochenende dem SPIEGEL, sie sei besorgt um das Wohl der Menschen in Belarus. »Kein Wunsch, an der Macht zu bleiben, kann solch ein nie dagewesenes Ausmaß an Gewalt rechtfertigen.« Friedliche Bürger würden wegen ihrer Ansichten geschlagen, gefoltert, verletzt und getötet, sagte die 38-Jährige, die lange in Stuttgart gelebt hat. »Wir leben in einem Polizeistaat.«

Am Samstag hatte sich die im litauischen Exil lebende Oppositionspolitikerin Swetlana Tichanowskaja in einem Video an die Protestbewegung gewandt. »Jeder geht in seinem Bezirk auf die Straße und sieht Dutzende, Hunderte und Tausende Unterstützer«, sagte die 38-Jährige. Sie nannte die demonstrierenden Belarussen »stolze, mutige und friedfertige Menschen, die den Preis für Freiheit kennen« und nie ohne Freiheit leben werden.

Seit der von massiven Betrugsvorwürfen überschatteten Präsidentschaftswahl am 9. August gibt es in Belarus Massenproteste. Auf dem Höhepunkt der Proteste gegen den 66-jährigen Lukaschenko waren in Minsk zeitweise mehr als 100.000 Menschen auf die Straße gegangen.

Der Autokrat will nicht weichen

Die Demokratiebewegung fordert seit Wochen Lukaschenkos Rücktritt, ein Ende der Polizeigewalt gegen friedliche Demonstranten, die Freilassung aller politischen Gefangenen sowie Neuwahlen.

Der seit 1994 amtierende Langzeitpräsident machte mehrfach deutlich, dass er seine Macht vorerst nicht abgeben will. Allerdings stellte er eine neue Verfassung in Aussicht. Einen Zeitpunkt dafür hat er noch nicht genannt.

clh/AFP/dpa-AFX
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