Opposition in Belarus EU-Diplomaten besuchen Nobelpreisträgerin, um sie vor Verschleppung zu schützen

Sie ist das letzte Führungsmitglied der Opposition, das in Minsk noch in Freiheit ist. Weil auch Swetlana Alexijewitsch bedroht wird, statten EU-Diplomaten der Literaturpreisträgerin Besuche ab - und schützen sie so.
Swetlana Alexijewitsch: Besuch willkommen

Swetlana Alexijewitsch: Besuch willkommen

Foto: Uncredited / dpa

Zahlreiche europäische Diplomaten besuchen die Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch in ihrem Zuhause in der belarussischen Hauptstadt Minsk, um sie vor einer Verschleppung zu bewahren. Alexijewitsch gehört zur Opposition gegen den autoritären Staatschef Alexander Lukaschenko.

Die schwedische Außenministerin Ann Linde hatte am Donnerstag ein Foto veröffentlicht, auf dem Alexijewitsch in ihrer Wohnung mit zahlreichen EU-Diplomaten zu sehen ist. "Die Welt unterstützt Swetlana Alexijewitsch. Heute haben noch mehr Diplomaten die Nobelpreisträgerin besucht", schrieb die Politikerin. Schweden sei dabei mit 16 anderen Nationen vertreten, unter ihnen auch Deutschland. "Wir sehen weiter nach ihrer Sicherheit und ihrem Wohlbefinden", kündigte sie eine Fortführung der Besuche an.

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Die Anwesenheit der europäischen Entsandten soll verhindern, dass die Aktivistin entführt wird, so wie es anderen Oppositionellen in den vergangenen Tagen ergangen ist. Auch Alexijewitsch gab bekannt, dass Unbekannte versuchten, sie einzuschüchtern. Männer in Zivil ständen vor ihrem Wohnblock und würden ständig klingeln.

Alexijewitsch gehört dem Koordinierungsrat an, dem Führungsorgan der Protestbewegung in Belarus. Von den sieben Vorstandsmitgliedern befindet sie sich als einzige noch im Land und in Freiheit. Vier der Mitglieder sind in Haft, zwei haben das Land auf Druck der Behörden verlassen. Auch Alexijewitsch wurde unlängst zur Vernehmung vorgeladen.

Zuletzt wurden die Führungsmitglieder Marija Kolesnikowa und Maxim Znak festgenommen. Kolesnikowa wurde auf offener Straße verschleppt. Nachdem anschließend mehrere Tage jegliches Lebenszeichen von ihr fehlte, wurde bekannt, dass sie verhaftet worden war. Ihr Kollege, der Anwalt Znak, wurde nach Angaben seiner Unterstützer auf dem Weg in sein Büro von "maskierten Männern" festgenommen.

"Erst haben sie uns das Land gestohlen, jetzt greifen sie die Besten von uns auf", sagte Alexijewitsch zur Festnahme ihrer Kolleginnen und Kollegen. Aber es kämen Hunderte andere an ihrer Stelle. "Lukaschenko sagt, dass er nicht mit der Straße sprechen wird. Aber die Straße - das sind Hunderttausende Menschen, die jeden Sonntag und jeden Tag auf die Straße gehen", so die Schriftstellerin.

Alexijewitsch hatte sich in der Vergangenheit vehement gegen Lukaschenkos Führung ausgesprochen. Ihrer Meinung nach hat der belarussische Machtapparat dem Volk "den Krieg erklärt" - den Staatschef forderte sie zum Rücktritt auf.

Schriftsteller solidarisieren sich

Am Freitag veröffentlichten Literaten aus aller Welt einen Brief, in dem sie sich mit Alexijewitsch solidarisieren. Sie alle haben zuvor - wie auch Alexijewitsch - den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten. Zu den Unterzeichnern zählen Aleida und Jan Assmann, Carolin Emcke, David Grossman, Navid Kermani, Jaron Lanier, Wolf Lepenies, Liao Yiwu, Claudio Magris und Orhan Pamuk. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels unterstützt den Appell.

Sie habe nichts anderes getan als das, wofür sie 2013 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet worden ist: "die Wahrheit auszusprechen und ihre Stimme all jenen zu leihen, die sich auflehnen gegen Erniedrigung", heißt es in der Erklärung. Die Unterzeichner fordern darin "die Einstellung der Einschüchterung, der Terrormaßnahmen gegen sie wie gegen die bisher so friedlich verlaufene Bewegung des belarussischen Volkes".

Die 72-jährige Aktivistin, Journalistin und Schriftstellerin Alexijewitsch erhielt 2015 den Literaturnobelpreis für ihr Werk, das laut Preiskomitee "dem Leiden und dem Mut in unserer Zeit ein Denkmal setzt".

Fotostrecke

Wo sich Belarus' wichtigste Oppositionelle befinden

Foto: Dmitri Lovetsky / dpa

Der seit mehr als 26 Jahren amtierende Staatschef Lukaschenko hatte sich im August zum sechsten Mal in Folge als Sieger der Präsidentenwahl ausrufen lassen. Die Opposition hält dagegen die 37-jährige Tichanowskaja für die wahre Gewinnerin der Wahl. Seither gibt es landesweit Proteste mit Aufrufen zum Dialog und zu einer Neuauszählung der Stimmen. Sicherheitskräfte gehen dabei brutal gegen die Demonstrationen vor.

ire/dpa
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