Proteste in Belarus Oppositionsführerin Kolesnikowa soll verhört werden

Ihre Anwältin spricht von einem "absurden" Versuch, Andersdenkende mundtot zu machen: Behörden in Belarus wollen die Oppositionelle Marija Kolesnikowa nach ihrer Verschleppung offenbar vernehmen.
Marija Kolesnikowa spricht bei einer Kundgebung Mitte August in Minsk: "gut und wacker trotz des erlebten Stresses"

Marija Kolesnikowa spricht bei einer Kundgebung Mitte August in Minsk: "gut und wacker trotz des erlebten Stresses"

Foto: Dmitri Lovetsky / dpa

Nach ihrer Verhaftung soll die Oppositionelle Marija Kolesnikowa in Belarus an diesem Donnerstag von Ermittlern vernommen werden. Sie ist die einzige politische Gefangene bisher, die sich wegen des Versuchs der illegalen Machtergreifung verantworten soll.

Ihre Anwältin Ljudmila Kosak bezeichnete die Vorwürfe als "absurden" Versuch, Andersdenkende mundtot zu machen. Die 38-jährige Kolesnikowa, die viele Jahre in Stuttgart in der Kulturszene aktiv war, sitzt nach ihrer Verschleppung am Montag nun in Untersuchungshaft. Ihr drohen Medien zufolge im Fall einer Verurteilung bis zu fünf Jahre Haft.

Kolesnikowa sei nach ihrer Entführung durch Maskierte in Minsk auch physische Gewalt angedroht worden, sagte Kasak. Sicherheitskräfte hätten sie gegen ihren Willen zur ukrainischen Grenze gebracht, um sie in das Nachbarland abzuschieben. Kolesnikowa hatte ihren Pass vor dem Grenzübergang zerrissen und so ihre Abschiebung vereitelt. Sie habe auch Quetschungen von der gewaltsamen Aktion davongetragen.

"Marija fühlt sich gut und wacker trotz des erlebten Stresses in den vergangenen zwei Tagen", sagte Kasak am Mittwochabend. Im Moment werde sie ohne ein Dokument festgehalten, in dem stehe, wer sie wann, wo und warum verhaftet habe. Sie werde Klage wegen der Entführung einreichen und wegen des Gesundheitszustands der Politikerin eine gerichtsmedizinische Untersuchung beantragen, sagte Kasak. In Minsk kam es am Mittwoch zu Solidaritätskundgebungen, bei denen Menschen die Freilassung Kolesnikowas forderten. Es gab mehrere Festnahmen.

Europarat will Menschenrechtsverstöße untersuchen

Der Menschenrechtsausschuss der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE) verurteilte die politische Gewalt in Belarus. Als Reaktion auf die schweren Menschenrechtsverstöße werde der Europarat gemeinsam mit anderen internationalen Organen eine internationale Untersuchung einleiten, um die Verbrechen zu dokumentieren und zu verfolgen. Die Behörden und die Vertreter der Zivilgesellschaft in Belarus seien eingeladen, sich an den Ermittlungen zu beteiligen. Die Ergebnisse würden der Justiz übergeben, damit Anklage wegen der Menschenrechtsverstöße erhoben werden könne.

Der umstrittene Staatschef Alexander Lukaschenko hatte im Interview mit russischen Staatsmedien das gewaltsame Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen friedliche Demonstranten verteidigt. Er hatte Hunderte Uniformierte ausgezeichnet. Die in sozialen Netzwerken von den Opfern der Gewalt verbreiteten schwersten Verletzungen, die auch viele Ärzte bestätigten, bezeichnete er als harmlos. Zudem hätten viele Demonstranten sich die Blutergüsse und blutigen Striemen selbst mit Farbe auf die Haut gemalt, behauptete er. Es gab mehrere Tote.

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In der Ex-Sowjetrepublik kommt es seit der umstrittenen Präsidentenwahl am 9. August täglich zu Protesten gegen Staatschef Alexander Lukaschenko. Lukaschenko ließ sich nach 26 Jahren an der Macht zum sechsten Mal in Folge zum Wahlsieger erklären - mit mehr als 80 Prozent der Stimmen. Die Demokratiebewegung in dem Land zwischen EU-Mitglied Polen und Russland sieht hingegen die 37 Jahre alte Swetlana Tichanowskaja als die neue Präsidentin. Die EU hat die Wahl - wie die meisten anderen Länder - nicht anerkannt. Russland und China hatten dem 66-Jährigen hingegen zum Sieg gratuliert.

asa/dpa
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