Frauen-Demo Polizeigewalt und viele Festnahmen in Belarus

Erneut haben in Minsk Tausende Frauen gegen den belarussischen Staatschef Lukaschenko protestiert. Dieses Mal gingen die Sicherheitskräfte auch gegen die Demonstrantinnen hart vor.
Eine Frau formt nach ihrer Festnahme in Minsk das Peace-Zeichen mit den Fingern

Eine Frau formt nach ihrer Festnahme in Minsk das Peace-Zeichen mit den Fingern

Foto: Natalia Fedosenko / ITAR-TASS / imago images

Maskierte Uniformierte sind in der belarussischen Hauptstadt Minsk mit massiver Gewalt gegen friedlich demonstrierende Kritikerinnen des autoritären Staatschefs Alexander Lukaschenko vorgegangen. Bei den Protesten am Samstag, an denen sich Tausende Frauen beteiligten, gab es nach Angaben des Menschenrechtsrechtszentrums Wesna rund 70 Festnahmen.

Lukaschenko, der von Kritikern auch als "letzter Diktator Europas" bezeichnet wird, hatte die Spitzenposten im Sicherheitsapparat zuletzt neu besetzt und gefordert, härter gegen nicht genehmigte Proteste vorzugehen. Bei den neuerlichen Protesten in Minsk erlitt eine junge Frau durch Schläge eines Polizisten eine Platzwunde im Gesicht. Sie hatte dem Uniformierten die Strumpfmaske vom Gesicht gezogen, der Mann hatte daraufhin zugeschlagen.

Die Kundgebungen von Lukaschenkos Gegnern werden prinzipiell nicht genehmigt, nur die der Unterstützer, die sich in kleiner Zahl am Samstag im Zentrum an der Siegessäule versammelten. Zur gleichen Zeit kamen die Gegnerinnen Lukaschenkos am Platz der Freiheit zusammen. Die Kundgebung richtete sich vor allem gegen die Inhaftierung der Oppositionspolitikerin Maria Kolesnikowa. "Gebt uns unsere Mascha zurück", skandierten die Frauen.

Frauen in Gefangenentransporter gebracht

Vermummte Sicherheitskräfte kesselten die Frauen am Platz der Freiheit ein und steckten einige in Gefangenentransporter. Die Frauen hatten sich einem Reporter der Nachrichtenagentur dpa, der vor Ort war, zufolge friedlich verhalten. Vielen Frauen gelang es, anschließend den Protestmarsch fortzusetzen. Der Demonstrationszug vereinigte sich später mit weiteren Frauen, bis die Menge auf Tausende anwuchs.

Bislang hielten sich die Sicherheitskräfte gegenüber Frauen weitgehend zurück und nahmen überwiegend Männer fest. Deshalb beteiligten sich viele Demonstrantinnen an den Aktionen. Die Samstage stehen traditionell im Zeichen der Frauenproteste. Zuletzt gerieten aber auch sie ins Visier der Beamten. Die Polizei hatte zuvor eindringlich vor einer Teilnahme gewarnt.

In Belarus kommt es seit der Präsidentenwahl vor mehr als einem Monat täglich zu Protesten. Nach mehr als 26 Jahren an der Macht beansprucht Lukaschenko den Wahlsieg mit mehr als 80 Prozent der Stimmen für sich. Die Opposition hält dagegen Swetlana Tichanowskaja für die wahre Gewinnerin. International wird die Wahl wegen mutmaßlicher Wahlfälschung kritisiert.

Lukaschenko: Armee will auf Nato-Manöver reagieren

Während der Proteste traf sich Lukaschenko mit dem nationalen Sicherheitsrat. Dabei sagte er der Staatsagentur Belta zufolge mit Blick auf die Militärübungen der Nato im Nachbarland Litauen, wenn die Übung beendet sei, solle die belarussische Armee "angemessen darauf reagieren". Zuletzt waren viele Streitkräfte an die Westgrenze verlegt worden. Zudem hatte Lukaschenko einen Teil der Armee "in höchste Kampfbereitschaft" versetzen lassen.

Swetlana Tichanowskaja, die sich als rechtmäßige Siegerin der Präsidentenwahl vom 9. August sieht, verurteilte aus ihrem Exil in der EU die Polizeigewalt gegen Frauen. "Ich will Sie warnen, dass jeder, der Verbrechen gegen friedliche Demonstranten und sein Volk begeht, die Verantwortung dafür tragen wird", sagte die 38-Jährige. "Sie haben die Chance, auf die Seite des Volkes zu wechseln und keine verbrecherischen Befehle mehr auszuführen."

Neue Demo am Sonntag erwartet

Die Demokratiebewegung hat für diesen Sonntag zur fünften Großkundgebung gegen Lukaschenko aufgerufen. Während sich an den Samstagen bisher Tausende an den Protesten beteiligten, waren an Sonntagen Zehntausende bis Hunderttausende unterwegs.

Die Sonntagsdemonstration steht diesmal unter dem Motto "Marsch der Helden", der auch der inhaftierten Oppositionspolitikerin Kolesnikowa gewidmet ist. Der 38-Jährigen wird der Versuch der illegalen Machtergreifung vorgeworfen. Ihre Anwältin hatte das als absurd bezeichnet.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bekräftigte am Samstag ihre Sorge über die Entwicklung in Belarus. "Dort wird der Einsatz für Demokratie buchstäblich mit Füßen getreten", sagte sie in ihrer wöchentlichen Videobotschaft. "Unser Herz schlägt mit den friedlichen Demonstrierenden. Es ist bewundernswert, mit welchem Mut und mit welcher Entschlossenheit sie für Freiheit und Rechtsstaatlichkeit auf die Straße gehen."

kko/dpa
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