Kampf gegen Lukaschenko Tichanowskaja appelliert in Videobotschaft an EU

Swetlana Tichanowskaja: Die belarussische Oppositionspolitikerin befindet sich derzeit im Exil in Litauen
Foto:Sviatlana Tsikhanouskaya Headquarters / AP
Fast zwei Wochen nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl in Belarus halten die Massenproteste gegen Machthaber Alexander Lukaschenko an. Nun schaltet sich die EU ein. Bei einem Sondergipfel wollen die europäischen Staats- und Regierungschefs über die politische Krise in dem Land beraten.
Vor Beginn der außergewöhnlichen Videokonferenz hat sich die belarussische Oppositionspolitikerin Swetlana Tichanowskaja an die EU gewandt. In einer Videobotschaft forderte sie die EU-Staats- und Regierungschefs dazu auf, das Ergebnis der Präsidentenwahl in Belarus nicht anzuerkennen. Die Wahl sei gefälscht worden, sagte sie.
Der angeblich wiedergewählte autoritär regierende Staatschef Lukaschenko habe "in den Augen unserer Nation und der Welt jede Legitimität verloren", sagte Tichanowskaja in ihrer Botschaft aus ihrem litauischen Exil. "Ich appelliere an Sie, diese betrügerische Wahl nicht anzuerkennen."
"Die zweite Woche in Folge kämpft meine Nation um ihr verfassungsmäßiges Recht, ihre Anführer zu wählen", sagte die 37-Jährige weiter. Die Bürger, die zur Verteidigung ihrer Stimmen auf die Straße gingen, "wurden brutal geschlagen, eingesperrt und durch das Regime gefoltert". Lukaschenko klammere sich weiter an die Macht. All dies passiere mitten in Europa.
Die EU müsse den Willen des Volkes anerkennen, forderte Tichanowskaja. Sie war aus Angst um ihre Sicherheit und die ihrer Kinder ins EU-Nachbarland Litauen geflüchtet.
Koordinierungsrat soll friedlichen Machttransfer gewährleisten
Um einen friedlichen Machttransfer in dem Land zu sichern, habe sie die Gründung eines Koordinierungsrates auf den Weg gebracht, sagte die Oppositionspolitikerin weiter. Das Gremium mit Vertretern der Zivilgesellschaft sollte noch am Mittwoch zu seiner ersten Sitzung zusammenkommen. Die international bekannteste Vertreterin ist die Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch.
Der Koordinierungsrat strebe einen Dialog mit dem jetzigen Machtapparat an, sagte Tichanowskaja. Er arbeite mit dem Ziel, umgehend faire und demokratische Neuwahlen für das Präsidentenamt auszurufen - mit internationaler Beobachtung, wie es sie am 9. August nicht gegeben hatte. "Verehrte Anführer Europas, ich rufe Sie dazu auf, das Aufwachen von Belarus zu unterstützen", sagte Tichanowskaja. Sie betonte, dass es hier um eine Anerkennung internationalen Rechts des Volkes gehe, seine eigene Wahl zu treffen.
Lukaschenko war bei der Abstimmung vor etwa zwei Wochen laut dem offiziellen Wahlergebnis auf rund 80 Prozent der Stimmen gekommen, auf Tichanowskaja entfielen demnach nur rund zehn Prozent. Die belarussische Opposition wirft Lukaschenko massiven Wahlbetrug vor. Auch die EU nannte die Abstimmung "weder frei noch fair". Die britische Regierung hat bereits erklärt, das Ergebnis nicht zu akzeptieren.
Seit der Wahl gibt es in Belarus Massenproteste, bei denen die Demonstranten den Rücktritt Lukaschenkos verlangen. Es habe bei den Protesten durch Polizeigewalt Hunderte Verletzte und mindestens zwei Tote gegeben, sagte Tichanowskaja in ihrer Botschaft.
Erneut stundenlange Proteste in Minsk
Trotz der massiven Gewalt gehen die Menschen in Belarus weiter gegen Machthaber Lukaschenko auf die Straße. Auch am Abend gab es in der Hauptstadt Minsk stundenlange Proteste. Allein auf dem Unabhängigkeitsplatz im Zentrum von Minsk zählten Beobachter in der Nacht zu Mittwoch Tausende Menschen.
Landesweit sollen es Zehntausende Demonstranten gewesen sein - und damit deutlich mehr als am Abend zuvor. Die bislang größten Proteste hatte das zwischen Russland und EU-Mitglied Polen gelegene Land am Sonntag erlebt. Hunderttausende beteiligten sich an den Aktionen. Doch auch die Unterstützer Lukaschenkos organisierten am Dienstag eigene Aktionen.
Die EU will auf ihren Sondergipfel im Laufe des Tages über die Frage sprechen, wie Präsident Lukaschenko dazu gebracht werden kann, in einen Dialog mit Opposition und Gesellschaft in der früheren Sowjetrepublik einzutreten.