Affäre Protassewitsch Uno untersucht belarussische Luftpiraterie

Die Vereinten Nationen sprechen von »starker Besorgnis« – und ermitteln wegen der erzwungenen Ryanair-Landung in Minsk. Olaf Scholz drängt derweil Russland, beim heutigen Gipfeltreffen auf Belarus einzuwirken.
Ryanair-Maschine beim Anflug auf Vilnius nach erzwungener Landung in Minsk

Ryanair-Maschine beim Anflug auf Vilnius nach erzwungener Landung in Minsk

Foto: STRINGER / EPA

Fünf Tage ist der Zwischenfall rund um den Ryanair-Jet über Belarus her – und die Affäre beschäftigt inzwischen auch die Vereinten Nationen. Die Internationale Zivilluftfahrtorganisation der Uno (ICAO) hat beschlossen, die erzwungene Landung des Passagierflugzeugs in Minsk zu untersuchen. Die ICAO werde bis zum 25. Juni einen Zwischenbericht vorlegen, sagte der irische Verkehrsminister Eamon Ryan.

Die Vereinigten Staaten und mehrere Verbündete hatten eine Untersuchung des Vorfalls gefordert. In einer Mitteilung erklärte die Luftfahrtbehörde, der Vorfall habe »starke Besorgnis« ausgelöst. Die Untersuchung wird sich darauf konzentrieren, ob internationale Luftfahrtregeln verletzt worden seien. Die ICAO hat nur durch die Aussetzung von Stimmrechten die Möglichkeit ihre Mitgliedsstaaten zu bestrafen.

Belarus hatte am Sonntag eine Ryanair-Maschine auf dem Flug von Griechenland nach Litauen unter Verweis auf eine angebliche Bombendrohung mit einem Kampfjet nach Minsk umgeleitet. Dort wurden dann der regierungskritische Journalist Roman Protassewitsch und seine Freundin festgenommen.

Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten daraufhin ihre Außenminister beauftragt, Wirtschaftssanktionen gegen Belarus vorzubereiten. Diese sollen diesmal über Einzelpersonen hinausgehen.

Die erzwungene Flugzeugumleitung hatte international massive Empörung ausgelöst. Folgen sind unter anderem die Sperrung des europäischen Luftraums für Flugzeuge aus Belarus sowie ein Landeverbot auf EU-Flughäfen. Über weitere Strafmaßnahmen wird derzeit beraten. Auch die Außenminister der G7-Staaten verurteilten den Schritt am Donnerstag »aufs Schärfste«.

Scholz spricht von »ungeheuerlichem Akt«

Der deutsche Vizekanzler Olaf Scholz appellierte an den russischen Präsidenten Wladimir Putin, für die Freilassung von Protassewitsch zu sorgen. »Moskau darf diesen ungeheuerlichen Akt der Luftpiraterie nicht ignorieren«, sagte der SPD-Kanzlerkandidat der Funke Mediengruppe einem Vorabbericht zufolge.

Putin und der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko treffen sich heute in Sotschi. Scholz sagte, Putin müsse »all seinen Einfluss nutzen, um die sofortige Freilassung von Roman Protassewitsch und seiner Partnerin Sofija Sapega zu erreichen.«

DER SPIEGEL

Derzeit sendet Russland allerdings andere Signale. Zuletzt wurde bekannt, dass Austrian Airlines und Air France Flüge nach Moskau streichen mussten. Moskau hatte zuvor seine Genehmigung für veränderte Flugrouten um den belarussischen Luftraum herum verweigert. Dies kann durchaus als Reaktion auf das Start- und Landeverbot der EU für Maschinen aus Belarus gewertet werden.

Deutschlands Europaminister Michael Roth forderte einem Vorabbericht der »Welt« zufolge , schnelle Klarheit über eine mögliche russische Beteiligung an der erzwungenen Landung der Ryanair-Maschine in Weißrussland. »Diese Tat muss rasch und vollständig aufgeklärt werden«, sagte der Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt: »Jeder weiß, dass sich das Verhältnis zwischen Europa und Russland in sehr schwierigem Fahrwasser befindet.«

Roth sagte weiter, Russland fahre eine destruktive Politik, »die das Völkerrecht bricht und auf Desinformation Europas und speziell Deutschlands angelegt ist.«

jok/Reuters
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