Trotz Schusswaffendrohung Zehntausende protestieren gegen Lukaschenko

Das belarussische Regime hatte gedroht, Schusswaffen gegen Demonstranten einzusetzen. Zehntausende gingen dennoch wieder auf die Straße, um gegen den Machthaber zu protestieren. Es gab Festnahmen.
Proteste der Opposition in Minsk

Proteste der Opposition in Minsk

Foto: - / AFP

In der belarussischen Hauptstadt Minsk haben am Sonntag erneut Zehntausende Menschen gegen die Regierung unter Präsident Alexander Lukaschenko protestiert. Zuvor hatte das Innenministerium mit dem Einsatz von Schusswaffen gedroht.

Der Nachrichtenagentur Interfax zufolge nahmen mehr als 30.000 Menschen an der Kundgebung teil. Die genaue Zahl der Demonstranten ließ sich schwer abschätzen, da sie in verschiedenen Gruppen durch die Hauptstadt zogen. Dabei riefen sie "Es lebe Belarus" und "Lukaschenko in den Gefängniswagen". Auch in anderen Städten fanden Aktionen statt.

Bei der als "Partisanenmarsch" bezeichneten Demonstration seien mehr als hundert Menschen festgenommen worden, teilte das Innenministerium mit. Die Menschenrechtsorganisation Wjesna hatte bis zum frühen Abend von etwa 80 Festnahmen berichtet, die meisten davon in Minsk.

Polizisten nehmen einen Demonstranten fest

Polizisten nehmen einen Demonstranten fest

Foto: AP

Dabei fielen offenbar Schüsse: Das Innenministerium teilte den Nachrichtenagenturen Interfax und RBK mit, Beamte hätten in die Luft gefeuert, nachdem Demonstranten Steine geworfen hätten. Diese Angaben waren nicht unabhängig zu überprüfen. Keines der belarussischen Medien, die Reporter vor Ort hatten, hatte über Angriffe auf Sicherheitskräfte berichtet. Laut Innenministerium wurden Gummigeschosse verwendet.

Bislang hatten die Sicherheitskräfte vor allem Wasserwerfer, Gummigeschosse und Blendgranaten gegen die Demonstranten eingesetzt. Am Sonntag warfen sie außerdem Feuerwerkskörper aus fahrenden Kleinbussen in Richtung der Demonstranten, berichteten anwesende Reporter. Besonders am Rand der Proteste kam es zudem zu tumultartigen Szenen: Dort schlugen Sicherheitskräfte auf Protestierende ein und zogen Insassen aus Autos.

Insgesamt bemühten sich die Sicherheitskräfte, den Zustrom weiterer Menschen zu den Märschen zu unterbinden. Sie sperrten Straßen im Zentrum der Hauptstadt mit Stacheldraht ab und schlossen Metrostationen. Anders als bei den früheren Sonntagsdemonstrationen der Opposition zogen die Lukaschenko-Gegner deshalb dieses Mal nicht durch das Stadtzentrum von Minsk, sondern demonstrierten auf einer Hauptverkehrsstraße im Süden der Stadt. Während der Demonstrationen funktionierte das mobile Internet in der Stadt zeitweise nicht.

Zehn Protestwochenenden in Folge

Bereits am Samstag waren landesweit Hunderte Frauen und Studenten gegen Lukaschenko auf die Straße gegangen. Dem Innenministerium zufolge gab es dabei knapp 60 Festnahmen. Auch Journalisten seien dabei in Polizeigewahrsam genommen worden, teilte der belarussische Journalistenverband mit.

Es ist das mittlerweile zehnte Wochenende in Folge, an dem Oppositionelle gegen die Regierung demonstrieren. Auslöser der Proteste ist die Präsidentenwahl am 9. August, die Lukaschenko nach offiziellen Angaben mit 80 Prozent der Stimmen gewann. Die Demonstranten werfen ihm hingegen Wahlbetrug vor. Auch die Europäische Union erkennt die Wahl nicht an. Lukaschenko regiert das Land seit 26 Jahren und wird von Moskau unterstützt.

Die Sicherheitskräfte in der ehemaligen Sowjetrepublik haben im Rahmen der Proteste bislang über 13.000 Menschen festgenommen. Die Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja forderte Lukaschenko vergangene Woche auf, bis zum 25. Oktober zurückzutreten. Anderenfalls werde das ganze Land auf die Straße gehen und es durch Streiks lahmlegen. Tichanowskaja befindet sich in Litauen, wohin sie sich zu ihrer Sicherheit nach der Wahl abgesetzt hatte.

ire/heb/afp/dpa/Reuters

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