Kämpfer mit ukrainischen Abzeichen auf russischem Gebiet, Explosionen in der russischen Region Belgorod, es soll einen toten Zivilisten geben. In den vergangen 48 Stunden ist viel passiert in dem umkämpften Grenzgebiet nahe der ukrainischen Stadt Charkiw.
Augenzeugen (Name nicht genannt):
»Erst Gewehrschüsse, dann Mörser, Maschinengewehre, der Lärm von Maschinengewehren.«
Reporter:
»Wurde richtig gekämpft?«
Augenzeugen (Name nicht genannt):
»Ja, es war ein richtiger Kampf. So etwas ist noch nie passiert, seit ich hier lebe.«
Auch der Gouverneur der Region Belgorod bestätigte die Vorfälle.
Vyacheslav Gladkov, Gouverneur Belgorod:
»Ich bin gerade aus Graiworon zurückgekehrt, aus den Dörfern, die von den ukrainischen Streitkräften angegriffen wurden.«
Doch wer sind die Kämpfer, die ins russische Staatsgebiet eingedrungen sind und was bedeutet ihr Angriff für den Krieg?
Mark Galeotti, britischer Militärexperte:
»Diese russischen Freiwilligenkräfte decken eine ganze Reihe unterschiedlicher politischer Perspektiven ab. Es gibt Liberale und Anarchisten bis hin zu Neonazis. Und alle haben auf ihre Art und Weise einen Grund, den Sturz des derzeitigen russischen Regimes zu wünschen. Sie hoffen, dass sie auf irgendeine Weise zum Sturz des Putin-Regimes beitragen.«
Sprecher, »Legion Freiheit Russlands«:
»Wir sind Russen, genau wie Sie. Wir sind Menschen, genau wie Sie. Wir wollen, dass unsere Kinder in Frieden aufwachsen und freie Menschen werden. Aber das hat keinen Platz im heutigen Russland Putins, das von Korruption, Lügen, Zensur, Freiheitseinschränkungen und Repressionen zerfressen ist.«
Mark Galeotti, britischer Militärexperte:
»Dies sind keine unabhängigen Kräfte, auch wenn immer wieder behauptet wird, das habe nichts mit uns zu tun, das seien nur russische Freiwillige. Sie werden vom ukrainischen Militärgeheimdienst kontrolliert. Sie sind auf die Ukrainer angewiesen, wenn es um Waffen, Unterstützung und dergleichen geht. In gewisser Weise akzeptieren sie also, dass sie Teil der ukrainischen Kriegsanstrengungen sind, einfach, weil sie glauben, dass eine russische Niederlage in der Ukraine den Untergang des Regimes in Moskau beschleunigt.«
Eine direkte Beteiligung an dem Überraschungsangriff dementiert die ukrainische Regierung bislang – und zur Frage, wer die Freiwilligenverbände mit Waffen ausgerüstet hat, schweigt Kiew. Der Angriff hat allerdings die Verwundbarkeit der russischen Grenzregionen aufgedeckt.
Wie Putin und sein Militär darauf reagieren, bleibt abzuwarten. Ein psychologischer Effekt auf die russische Führung ist jedoch bereits spürbar.
Dmitir Medwedew, Ministerpräsident Russland:
»Was diese Drecksäcke betrifft – anders kann ich sie nicht nennen –, so kann man sie auf unterschiedliche Weise charakterisieren. Die Frage ist, was wir mit ihnen machen sollen. Sie müssen ausgerottet werden wie Ratten, man darf sie nicht einmal einfangen.«
Die russische Armee veröffentlichte am Mittwoch zunächst Bilder von zerstörten Fahrzeugen und ließ verlauten, russische Soldaten hätten die Angreifer zurück über die ukrainische Grenze getrieben: Unabhängig prüfen ließ sich dies vorerst nicht. Wie aber beeinflusst die Attacke den Krieg?
Mark Galeotti, britischer Militärexperte:
»An und für sich ist dies keine bahnbrechende Veränderung. Dies ist wahrscheinlich vor allem, was man in militärischer Hinsicht eine formgebende Operation nennt, die das Schlachtfeld für die unvermeidliche und sich abzeichnende ukrainische Gegenoffensive vorbereitet. Vielmehr ist dies eine Chance, zwei Dinge zu tun. Erstens, die Russen zu verunsichern, sie über die Möglichkeit von Aufständen in der eigenen Bevölkerung zu beunruhigen. Und zweitens, die Russen zu zwingen, ihre Truppen aufzuteilen und einen Teil als Verstärkung in die Region Belgorod zu verlegen. Ich denke, die Ukraine muss hoffen, dass sich dadurch Gebiete für eine Art Großangriff in der nächsten Woche oder so öffnen.«