Konflikt um Bergkarabach Armenien wirft Türkei Abschuss von Kampfjet vor - Ankara dementiert

Seit Tagen gibt es heftige Gefechte um die Kaukasusregion Bergkarabach. Die Türkei steht dabei auf der Seite Aserbaidschans - weist den Vorwurf aus Armenien, ein Flugzeug abgeschossen zu haben, aber zurück.
Nikol Paschinjan, Premierminister von Armenien

Nikol Paschinjan, Premierminister von Armenien

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Tigran Mehrabyan / dpa

Im Konflikt um die Kaukasusregion Bergkarabach wirft Armenien der Türkei vor, einen Kampfjet des Typs Suchoi-25 abgeschossen zu haben. Der Pilot sei dabei getötet worden, teilte die Sprecherin des armenischen Verteidigungsministeriums in Eriwan mit. Ein türkisches F-16-Kampfflugzeug habe die Maschine am Dienstagvormittag mit Hilfe aus Aserbaidschan abgeschossen. Dafür gab es aber keine Bestätigung.

Aserbaidschan gab bislang an, keine militärische Unterstützung aus dem Nachbarland Türkei zu bekommen und selbst kein F-16-Kampfflugzeug zu besitzen. Das Militär in Aserbaidschan dementierte die Angaben umgehend und bezeichnete die Vorwürfe als Lüge. Auch der Kommunikationsdirektor des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, Fahrettin Altun, sagte, dass es sich dabei um "billige Propagandatricks" handle. Die Behauptungen stimmten definitiv nicht.

Armenien meldet 114 Tote seit Sonntag

Die Kämpfe zwischen Armenien und Aserbaidschan dauern seit Sonntag an. Auf beiden Seiten gab es zahlreiche Tote und Verletzte. In der Region Bergkarabach selbst stieg die Zahl der Todesopfer am Dienstag auf 114, darunter Dutzende Soldaten und viele Zivilisten, wie die armenischen Behörden mitteilten. Genaue Opferzahlen aus Aserbaidschan waren zunächst nicht bekannt. Es gebe aber zehn tote Zivilisten, hieß es aus der Hauptstadt Baku.

Das von Armenien kontrollierte Bergkarabach gehört völkerrechtlich zum islamisch geprägten Aserbaidschan. In einem Krieg nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hatte Aserbaidschan die Kontrolle über das Gebiet verloren. Es wird heute von christlichen Karabach-Armeniern bewohnt. Die Regionalregierung Bergkarabachs ist international nicht anerkannt.

Seit 1994 galt eine Waffenruhe, die immer wieder gebrochen wurde, zuletzt im Juli. Das völlig verarmte Armenien setzt auf Russland als Schutzmacht, die dort Tausende Soldaten und Waffen stationiert hat. Das öl- und gasreiche und militärisch hochgerüstete Aserbaidschan hat die Türkei als verbündeten Bruderstaat.

Der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev warf der internationalen Gemeinschaft vor, "zu viel Geduld" mit Armenien zu haben. Seit 30 Jahren reagiere Armenien nicht auf Resolutionen der Vereinten Nationen, sich aus dem besetzten Gebiet Aserbaidschans zurückzuziehen, sagte er.

Die Türkei hatte sich bereits mit deutlichen Worten hinter Aserbaidschan gestellt und Armenien die Schuld an der Eskalation gegeben. Die Türkei stehe "mit allen Mitteln und ganzem Herzen" an Aserbaidschans Seite, hatte Präsident Erdogan betont. Dessen Kommunikationsdirektor Fahrettin Altun schrieb am Dienstag auf Twitter: "Als Türkei werden all unsere Bemühungen und Anstrengungen darauf hinauslaufen, dass das verbrüderte Aserbaidschan seine besetzten Gebiete zurückerobert und seine Rechte auf internationalem Gebiet beschützt werden."

Russland kritisiert Türkei scharf, Merkel fordert Verhandlungen

Russland kritisierte das Verhalten der Türkei. Der Kreml forderte Ankara auf, auf Aserbaidschan einzuwirken und das Land zu einer Waffenruhe und Verhandlungen zu bewegen. Bisherige Unterstützungserklärungen von türkischer Seite für Aserbaidschan hätten nur Öl ins Feuer gegossen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow.

Präsident Wladimir Putin betonte demnach bei einem Telefonat mit dem armenischen Ministerpräsidenten Nikol Paschinjan, dass beide Seiten dringend das Feuer einstellen und Maßnahmen zur Deeskalation der Krise ergreifen müssten. Er sei ernsthaft besorgt über die anhaltenden Kämpfe, hieß es.

Bundeskanzlerin Merkel sprach ebenfalls mit Paschinjan und Aliyev. Die Kanzlerin habe deutlich gemacht, dass ein Waffenstillstand und Verhandlungen dringlich seien, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert mit. Basis dafür könnte die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sein.

mes/dpa/AFP
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