Proteste gegen Waffenruhe in Bergkarabach Demonstranten besetzen Regierungssitz in Armenien

Armenien hat sich mit Aserbaidschan auf eine neue Vereinbarung über eine Waffenruhe im umkämpften Bergkarabach geeinigt. In der armenischen Hauptstadt Eriwan kam es daraufhin zu Ausschreitungen.
Demonstranten im Regierungsgebäude in Eriwan

Demonstranten im Regierungsgebäude in Eriwan

Foto: Stanislav Krasilnikov / imago images/ITAR-TASS

Aufruhr in Eriwan: Nach einer neuen Vereinbarung mit Aserbaidschan über ein Ende aller Kämpfe um die Konfliktregion Bergkarabach ist es in Armenien zu Ausschreitungen gekommen. Demonstranten besetzten in der Nacht zum Dienstag das Regierungsgebäude in der Hauptstadt. Das war auf Videos in sozialen Netzwerken zu sehen, die zuvor in Ausschnitten vom armenischen Fernsehen ausgestrahlt worden waren. Demonstranten hätten Möbel, Türen und Fenster zerschlagen. Einige seien bis in das Büro von Regierungschef Nikol Paschinjan vorgedrungen.

Mehrere Hundert Menschen hielten sich demnach vor dem Regierungssitz auf. Sie beschimpften den Ministerpräsidenten als Verräter. Die Polizei sei zunächst nicht eingeschritten. Es gab Berichte, wonach Demonstranten die Residenz von Paschinjan aufsuchen wollten.

Die Lage in Armeniens Hauptstadt war zunächst unübersichtlich. Zuvor hatte sich Paschinjan mit dem aserbaidschanischen Präsidenten Ilcham Alijew auf ein Ende der Kämpfe in Bergkarabach unter Vermittlung von Kremlchef Wladimir Putin verständigt.

"Der Text ist für mich persönlich und für unser Volk schmerzhaft", schrieb Paschinjan bei Facebook. Er habe sich aber nach reiflicher Überlegung und Analyse der Lage für eine Unterzeichnung entschieden, schrieb Paschinjan. Beobachter werteten das als Kapitulation.

Armeniens Präsident von der Vereinbarung angeblich überrascht

Der armenische Präsident Armen Sarkissjan zeigte sich überrascht von der Vereinbarung über das Ende aller Kampfhandlungen. "Ich bin von der Presse darüber informiert worden", sagte er. Aus den Medien habe er auch über die Bedingungen für ein Ende des Kriegs erfahren. "Es gab leider keine Konsultationen oder Diskussionen mit mir über das Dokument." Jeder Schritt, jede Maßnahme und insbesondere die Unterzeichnung eines so wichtigen Dokuments sollten jedoch Gegenstand umfassender Diskussionen sein.

Die Gefechte um Bergkarabach dauern bereits seit Ende September an. Der Konflikt selbst ist schon jahrzehntealt. Aserbaidschan verlor in einem Krieg nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion vor rund 30 Jahren die Kontrolle über das bergige Gebiet mit etwa 145.000 Bewohnern. Seit 1994 galt eine brüchige Waffenruhe. Aserbaidschan sucht immer wieder die Unterstützung von seinem "Bruderstaat" Türkei. Armenien wiederum setzt auf Russland als Schutzmacht. Bergkarabach wurde bisher weitgehend von Armenien kontrolliert, gehört aber völkerrechtlich zu Aserbaidschan.

Russische Friedenstruppen in Konfliktregion geflogen

Nach der neuen Vereinbarung haben russische Friedenstruppen bereits mit ihrem Einsatz begonnen. Die ersten vier Flugzeuge vom Typ Iljuschin Il-76 seien in der Nacht zum Dienstag mit Soldaten und gepanzerten Fahrzeugen nach Bergkarabach geflogen, teilte das russische Verteidigungsministerium in Moskau der Agentur Interfax zufolge mit. Als offizieller Beginn der Mission sei sieben Uhr Ortszeit (vier Uhr MEZ) vereinbart worden.

als/dpa
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten