Kurz vor Friedensverhandlungen Behörden in Bergkarabach melden schwerste Angriffe seit Beginn der Gefechte

Ein armenischer Soldat beobachtet von einem Unterschlupf in Stepanakert aus die aserbaidschanischen Stellungen
Foto: - / dpaSeit gut vier Wochen ist der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um die umstrittene Kaukasus-Region Bergkarabach wieder voll entbrannt. Zuletzt waren drei Waffenruhen gescheitert, für Freitag sind in Genf neue Verhandlungen zur Lösung des Konflikts geplant. Jetzt melden lokale Behörden die heftigsten Angriffe seitens aserbaidschanischer Streitkräfte seit Beginn der Kampfhandlungen vor vier Wochen.
"Aserbaidschan hat Stepanakert über mehrere Stunden attackiert", sagte der Ombudsmann für Menschenrechte von Bergkarabach, Artak Beglaryan, am Donnerstag der Nachrichtenagentur AFP. Bei den Angriffen seien auch Zivilisten verletzt worden, sagte Beglaryan. Es habe sich um die "schwersten" Luftangriffe seit Beginn der Gefechte Ende September gehandelt.
Der "Feind" vor den Toren
Stepanakert ist die Regionalhauptstadt der selbst ernannten Republik Bergkarabach. Nach armenischen Angaben wurden auch die Städte Schuschi und Martakert massiv beschossen. Aserbaidschan begehe "Verbrechen gegen die Menschlichkeit", teilte das armenische Außenministerium in Eriwan mit. Regionalpräsident Arayik Harutyunyan richtete sich am Abend in einem über Facebook verbreiteten Video an die Bevölkerung. Der "Feind" sei nur noch wenige Kilometer von Schuscha entfernt, "höchstens fünf Kilometer", sagte er. Ziel Aserbaidschans sei es offenbar, die Stadt "einzunehmen".
Aserbaidschan wie Armenien beanspruchen Bergkarabach seit Jahrzehnten: Aserbaidschan hatte in einem Krieg nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion vor rund 30 Jahren die Kontrolle über das Gebiet mit etwa 145.000 Bewohnern verloren. Seit 1994 galt eine brüchige Waffenruhe.
Die Region wird von Armenien kontrolliert, gehört aber völkerrechtlich zum islamisch geprägten Aserbaidschan, das sich in dem Konflikt auf seinen "Bruderstaat" Türkei stützen kann. Russland ist Schutzmacht Armeniens. Beobachter fürchten, dass sich der jetzige Konflikt zu einem Stellvertreterkrieg zwischen Russland und der Türkei im Kaukasus ausweiten könnte.
Armenien erhält getötete Soldaten von Aserbaidschan
Zuletzt hatte sich die Lage entspannt. Vor den für Freitag angesetzten Verhandlungen hatte Aserbaidschan an Armenien 30 getötete Soldaten und Offiziere übergeben. Das teilte der aserbaidschanische Präsidentenberater Hikmet Hajiyev am Donnerstag mit. Das armenische Verteidigungsministerium in der Hauptstadt Eriwan bestätigte den Erhalt der Toten und signalisierte Bereitschaft, Aserbaidschan ebenfalls getötete Soldaten zu übergeben.
Seit Beginn der Kämpfe im September wurden nach offiziellen Angaben beider Konfliktparteien mehr als 1200 Menschen getötet, darunter mehr als 130 Zivilisten. Tatsächlich dürfte die Zahl der Toten noch deutlich höher liegen. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte vergangene Woche von fast 5000 Toten durch die Gefechte gesprochen.