Schleppende Brexit-Gespräche Boris Johnson droht der EU mit hartem Bruch

Boris Johnson: Ausscheiden ohne Deal wäre auch ein "gutes Ergebnis" für Großbritannien
Foto: TOBY MELVILLE / REUTERSAm Dienstag wollen sich Großbritannien und die EU zur nächsten Gesprächsrunde über ein Brexit-Anschlussabkommen treffen. Die Aussichten auf einen erfolgreichen Termin sind an diesem Wochenende nicht unbedingt gewachsen. Am Sonntagabend hat der britische Premier Boris Johnson von der EU mehr Tempo und Entgegenkommen gefordert. Man müsse sich bis Mitte Oktober einigen, damit ein Deal über das geregelte Ausscheiden seines Landes aus dem Staatenbund noch ratifiziert werden könne.
Ansonsten werde es kein Freihandelsabkommen zwischen Großbritannien und der Europäischen Union geben, teilte Johnson am Sonntagabend in London mit. Stattdessen setze London dann auf eine Vereinbarung mit der EU nach australischem Vorbild.
Britische Medien berichten über heikle Pläne in London
Die EU hat mit Australien bisher nur ein Rahmenabkommen, das unter anderem technische Hürden betrifft. Im Großen und Ganzen findet der Handel zwischen Europa und Australien auf Grundlage der Welthandelsorganisation WTO statt. Auf Großbritannien übertragen wäre das dann der gefürchtete No Deal. Dies wäre ein "gutes Ergebnis" für Großbritannien, erklärte Johnson. Experten warnen hingegen seit Jahren vor den gewaltigen Risiken eines Ausscheidens ohne Abkommen, die auch und vor allem die britische Wirtschaft mit Wucht treffen würden.
Eine weitere Entwicklung vom Sonntag könnte die Gespräche massiv erschweren oder sogar zum Platzen bringen. Wie die "Financial Times" berichtet , plant die britische Regierung, entscheidende Teile der Abmachung mit der EU zur Nordirland-Frage wieder aufzuschnüren.
Die neue Gesetzgebung soll nach Angaben der Zeitung am Mittwoch öffentlich werden - und den Deal mit der EU teils entkräften, den Johnson im Oktober 2019 selbst unterzeichnet hatte. Vor allem die Nordirland-Details waren dabei erst nach langen und mühsamen Verhandlungen beschlossen worden (mehr dazu finden Sie hier).
Vom politischen Gegner und aus Irland kommt Kritik
Nach Angaben des "Guardian" geht man in der britischen Regierung davon aus, dass die Einigung vom Oktober in Teilen vage genug formuliert ist, um sie mit dem neuen Gesetzespapier auszuhebeln. Um welche Teile des Abkommens mit der EU es dabei geht, ist noch nicht klar.
Aus Brüssel gibt es noch keine Reaktionen zum Bericht der "Financial Times", dessen Kernaussagen auch andere große Medienhäuser in Großbritannien bestätigen . Dafür wurde die oppositionelle Labourpartei bereits deutlich. Laut ihr drohe Johnson, "die rechtlichen Verpflichtungen des Landes zu brechen", die Partei sprach von einem "arglistigen Manöver". Der irische Außenminister Simon Coveney nannte den Vorstoß "sehr unklug".
This would be a very unwise way to proceed. #Brexit .
— Simon Coveney (@simoncoveney) September 6, 2020
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Unterhändler: "Ich glaube nicht, dass uns das in irgendeiner Weise Angst einjagt"
In der britischen Regierung bleibt man jedoch angriffslustig. Noch schärfer im Ton als Johnson war am Sonntag der britische Chefunterhändler David Frost geworden: Er sei sich völlig einig mit Johnson, dass Großbritannien von einem No-Deal-Brexit nichts zu befürchten habe, sagte er der "Mail on Sunday". "Ich glaube nicht, dass uns das in irgendeiner Weise Angst einjagt", so Frost.
Am Dienstag wird EU-Unterhändler Michel Barnier in London erwartet. Großbritannien war am 31. Januar aus der EU ausgetreten. In einer Übergangsphase bis zum Jahresende gehört das Land aber noch zum EU-Binnenmarkt und zur Zollunion, sodass sich im Alltag fast noch nichts geändert hat. Gelingt kein Vertrag über die künftigen Beziehungen, könnte es Anfang 2021 zum harten wirtschaftlichen Bruch mit Zöllen und anderen Handelshemmnissen kommen.