EU-Abkommen mit Großbritannien Brexit-Einigung ist offenbar in Sicht

EU-Brexit-Chefunterhändler Michel Barnier
Foto: SIMON DAWSON / REUTERSIm Streit über einen Brexit-Handelspakt haben sich die Europäische Union und Großbritannien auf eine Einigung zubewegt.
»Die Zeichen stehen gut«, sagte Irlands Premierminister Micheál Martin am Abend im irischen Fernsehen. Auch beim Schlüsselthema Fischerei, »scheint es heute das Gefühl zu geben, dass es zu einem Abschluss kommt«.
»Wir sind jetzt in der Endphase«, hatte ein EU-Vertreter bereits am Nachmittag erklärt. In London war aus britischen Regierungskreisen zu hören, eine Einigung noch am Mittwoch sei »möglich, aber alles andere als sicher«. Aus mehreren anderen Quellen hieß es, der lange sehr schwierige Punkt der fairen Wettbewerbsbedingungen sei nun geklärt und beim zweiten Knackpunkt Fischerei sei man sich sehr nahe.
Beide Seiten verhandeln seit Monaten über einen Handelsvertrag für die Zeit ab 1. Januar. Dann endet die Brexit-Übergangsphase. Gelänge eine Einigung, könnte ein harter wirtschaftlicher Bruch zum Jahresende in letzter Minute vermieden werden. Allerdings könnte ein Abkommen wegen der Kürze der Zeit nicht mehr rechtzeitig ratifiziert werden. Es müsste wohl ganz oder in Teilen vorläufig angewendet werden. Vorher müssten in jedem Fall die EU-Staaten zustimmen.
Schon tagsüber hatten sich auch der britische Bauminister Robert Jenrick vorsichtig optimistisch geäußert. Auch Brexit-Experten im Europaparlament sprachen von Einigungschancen, äußerten aber auch scharfe Kritik daran, dass so kurz vor dem Stichtag noch nichts entschieden sei.
Mit Ende der Übergangsfrist am 31. Dezember scheidet Großbritannien aus dem Binnenmarkt und der Zollunion aus. Ohne Anschlussvertrag drohen Zölle und Handelshemmnisse sowie verschärfte Warenkontrollen an den Grenzen. Schon jetzt stauen sich auf britischer Seite Tausende Lastwagen auf dem Weg auf den Kontinent, weil Frankreich wegen des mutierten Coronavirus zeitweise die Grenze abgeriegelt hatte – aus Sicht von Kritikern ein Vorgeschmack auf die Lage bei einem No-Deal-Brexit.
Von der Leyen und Johnson schalteten sich direkt ein
In den vergangenen Tagen hatten sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Großbritanniens Premierminister Boris Johnson direkt in die Verhandlungen eingeschaltet. Der Kompromisstext, der nun geprüft wird, ist nach Informationen der Nachrichtenagentur AFP aus EU-Kreisen rund zweitausend Seiten lang. Es gebe dabei noch einiges zu überprüfen, sagte ein EU-Diplomat der Agentur zufolge.
Falls die Verhandlungsführer einen Durchbruch vermelden, müssten auch die Regierungen der 27 EU-Mitgliedstaaten zustimmen. Hierzu könnte es zunächst ein Treffen der EU-Botschafter in Brüssel geben. Danach würde der Text in den Hauptstädten geprüft. Es könne deshalb mehrere Tage dauern, bis das grüne Licht der EU vorliege, hieß es aus EU-Kreisen.
Nach AFP-Informationen begannen die Mitgliedstaaten aber mit der Vorbereitung einer vorläufigen Anwendung eines möglichen Abkommens. Es könnte dann im Nachgang vom EU-Parlament ratifiziert werden. Denn die Abgeordneten halten eine reguläre Ratifizierung in diesem Jahr nicht mehr für möglich.