Umstrittenes Binnenmarktgesetz Von der Leyen kündigt rechtliche Schritte gegen Großbritannien an

Ursula von der Leyen
Foto: Pedro Rocha / APDie britische Regierung weigert sich bislang, ihre Pläne zur einseitigen Änderung des EU-Austrittsvertrags zurückzunehmen. Eine Frist der EU-Kommission ließ sie verstreichen - das soll jetzt Folgen haben. Denn die Europäische Union leitet in dem Brexit-Streit rechtliche Schritte gegen Großbritannien wegen Verletzung der Austrittsvereinbarung ein. Das kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an. Das von der EU-Kommission gesetzte Ultimatum sei am Mittwoch abgelaufen, die problematischen Passagen seien nicht entfernt worden, sagte von der Leyen über das britische Gesetz.
Deshalb habe die EU-Kommission entschieden, einen Brief an die britische Regierung unter Boris Johnson zu schicken. Diese habe einen Monat Zeit, um darauf zu reagieren. Der Brief sei der erste Schritt in einem Vertragsverletzungsverfahren. Von der Regierung in London hieß es, man werde "zu gegebener Zeit" auf das Schreiben antworten. Die Gründe für die Gesetzgebung seien bereits dargelegt worden.
Auslöser des neuen Disputs ist das britische Binnenmarktgesetz, das am Dienstag vom Unterhaus beschlossen wurde und das Teile des bereits gültigen Austrittsvertrags aushebeln soll. Die EU-Kommission hatte der britischen Regierung ein Ultimatum bis Ende September gesetzt, die umstrittenen Klauseln des Gesetzes zurückzunehmen.
Das Binnenmarktgesetz läuft auf die Aushöhlung von Sonderregeln für Nordirland hinaus, die eigentlich eine harte Grenze zum EU-Mitglied Irland verhindern sollen. Es muss noch das britische Oberhaus passieren.
Beim Vorgehen der EU handelt es sich dennoch um eine sehr begrenzte Eskalation. Entscheidend ist: Die Verhandlungen mit den Briten über den künftigen Freihandelsvertrag laufen an diesem Donnerstag in Brüssel weiter. Ziel der EU-Seite ist es, bei diesen Verhandlungen voranzukommen - und sich nicht von sonstigen Provokationen beeinflussen zu lassen. Der Streit um das Binnenmarktgesetz wird nun gewissermaßen ausgelagert.
Die EU hat jetzt einen Hebel für ihre wichtigste Forderung
Klar ist aber auch: Sollte es tatsächlich bis Ende des Jahres zu einem Freihandelsvertrag kommen, würde die EU darauf bestehen, dass die Klauseln des Binnenmarktgesetzes, die gegen den Austrittsvertrag verstoßen, aufgehoben werden müssen. Dann hat die EU auch einen guten Hebel für ihre Forderung: Ohne Aufhebung der Klauseln würde der Freihandelsvertrag nicht in Kraft treten. Das Vertragsverletzungsverfahren hätte sich dann wohl auch erledigt.
Nach ihrer Ankündigung stand für von der Leyen ein Treffen mit Irlands neuem Premierminister Micheál Martin auf der Tagesordnung. Auch ihr Thema: der Brexit.
Großbritannien hat die EU Ende Januar verlassen, gehört aber noch bis Ende des Jahres zum EU-Binnenmarkt und zur Zollunion. Um einen harten Bruch mit Zöllen und Handelshemmnissen zu verhindern, verhandeln die EU und Großbritannien über ein Anschlussabkommen. Die Übergangsphase endet in drei Monaten.