Abschiedsbesuch der Bundeskanzlerin in Polen Merkel will Dialog statt Konfrontation

Bundeskanzlerin Merkel will den Streit über die polnische Justiz mit Gesprächen lösen, in Warschau gab sie sich kooperativ. Die EU-Kommission hatte diese Woche ein tägliches Zwangsgeld gegen Polen beantragt.
Merkel zu Besuch in Polen bei Morawiecki: »Politik ist doch mehr, als nur zu Gericht zu gehen«

Merkel zu Besuch in Polen bei Morawiecki: »Politik ist doch mehr, als nur zu Gericht zu gehen«

Foto: PIOTR NOWAK / EPA

Der Abschiedsbesuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Warschau begann mit einer Verneigung vor den Toten: Bei einem Besuch am Grabmal des unbekannten Soldaten, Polens zentraler Gedenkstätte für die Opfer des Zweiten Weltkriegs, legte Merkel einen Kranz nieder.

Der deutsche Überfall auf Polen 1939 war der Beginn des Zweiten Weltkriegs mit mindestens 55 Millionen Toten – andere Schätzungen kommen auf bis zu 80 Millionen. Allein in Polen kamen nach Schätzungen bis zu sechs Millionen Menschen ums Leben.

Angesichts dieser historischen Schuld und Merkels Ausscheiden aus der Politik ist es vielleicht nicht verwunderlich, dass sich die Kanzlerin auch in dem anschließenden Gespräch mit Regierungschef Mateusz Morawiecki  eher versöhnlich gab.

Bei dem anschließenden Besuch im Schloss des Lazienski-Parks in Warschau plädierte Merkel dafür, den Streit zwischen der EU-Kommission und Polen über das Justizsystem durch Gespräche zu lösen. »Politik ist doch mehr, als nur zu Gericht zu gehen«, sagte Merkel nach dem Treffen. Möglicherweise gebe es solche Gespräche schon, andernfalls werde sich Deutschland dafür einsetzen.

Angriff auf den Rechtsstaat

Die EU-Kommission hatte am Dienstag beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) finanzielle Sanktionen gegen Polen beantragt. Außerdem stellt die Kommission die Freigabe von Milliardenhilfen aus dem Corona-Hilfsfonds an Polen infrage. Hintergrund ist die fortgesetzte Tätigkeit der polnischen Disziplinarkammer  zur Bestrafung von Richtern. Der EuGH hatte in einer einstweiligen Anordnung den Stopp der Tätigkeit dieser Kammer angeordnet.

Brüssel und Warschau streiten seit Längerem über Reformen des polnischen Justizsystems. Kritiker werfen der nationalkonservativen PiS-Regierung vor, die Unabhängigkeit der Justiz zu untergraben. Derzeit prüft das polnische Verfassungsgericht, ob polnisches Recht Vorrang vor EU-Recht hat.

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Mit ihrem Gesprächsangebot stellte sich Merkel klar gegen die konfrontative Position Brüssels. Die versöhnlichen Töne von Merkel sind keinesfalls selbstverständlich, denn auch die politischen Beziehungen zwischen Warschau und Berlin sind derzeit belastet. So teilt die Bundesregierung die Sorgen der EU-Kommission mit Blick auf die Änderungen des polnischen Justizwesens. Polen lehnt zudem die deutsch-russische Gas-Pipeline Nord Stream 2 ab – die Bundesregierung hatte das Projekt des russischen Gaskonzerns immer unterstützt.

»Hybride Attacken gegen die EU«

Einig waren sich Merkel und Morawiecki hingegen bei der Kritik am benachbarten Belarus. »Ich halte das für vollkommen inakzeptabel, auf dem Rücken von Einzelnen mit ihrem Schicksal solche hybriden Attacken auszuführen«, sagte Merkel am Samstag in Warschau. Es würden »wehrlose Menschen aus anderen Regionen« für »hybride Attacken« gegen die EU benutzt.

Über Belarus waren in den vergangenen Monaten Tausende Migranten aus dem Nahen Osten in die EU eingereist. Die EU verdächtigt den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko, Migranten in die EU zu schleusen, um auf diese Weise Vergeltung für Sanktionsbeschlüsse des Westens gegen Belarus zu üben.

Polen verhängte wegen der Situation einen beispiellosen Ausnahmezustand im Grenzgebiet und baute einen Stacheldrahtzaun. Einige Migranten saßen wochenlang umringt von polnischen und belarussischen Grenzschützern unter unerträglichen Bedingungen an der Grenze fest.

Merkel appellierte nun an die autoritäre Führung in Belarus, die Versorgung der Migranten durch internationale Organisationen zuzulassen. Sie habe auch dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gesagt, dass diese »hybriden Attacken« nicht akzeptabel seien. Unabhängig von humanitärer Hilfe müsse die EU jedoch auch ihre Außengrenzen schützen, »so wie wir es auch bei Griechenland gemacht haben«, sagte Merkel.

sug/jme/dpa/AFP
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