Angriff mit »Flechette-Artillerie« Dutzende Zivilisten in Butscha offenbar durch Metallpfeile getötet

Frisch ausgehobene Gräber in Butscha: »Dünne, nagelartige Objekte in den Körpern«
Foto:Anastasia Vlasova / Getty Images
Dutzende von zivilen Opfern im ukrainischen Butscha sind offenbar durch winzige Metallpfeile von Granaten getötet worden, die von russischer Artillerie aus abgefeuert wurden, sogenannter »Flechette-Artillerie«. Entsprechende Recherchen veröffentlichte der britische »Guardian « am Sonntag und untermauerte damit Zeugenaussagen, welche die »Washington Post « einige Tage zuvor zusammengetragen hatte.

Flechette-Munition (Archivbild): Bis zu 8000 Pfeile in einer einzigen Granate
Foto:Ben Curtis/ AP
Der »Guardian« bezieht sich in seinem Bericht unter anderem auf die Aussagen von Rechtsmedizinern, welche die Opfer aus Massengräbern nördlich von Kiew obduziert hätten. »Wir fanden mehrere wirklich dünne, nagelartige Objekte in den Körpern von Männern und Frauen und auch andere meiner Kollegen in der Region«, zitiert das Blatt den ukrainischen Gerichtsmediziner Vladyslav Pirovskyi. »Die Mehrheit dieser Körper kommt aus der Region Bucha-Irpin.« Mehrere unabhängige Waffenexperten hätten Bilder der Munition überprüft und dem »Guardian« bestätigt, dass es sich um Flechette-Artillerie handele, eine Waffe, die bereits aus dem Ersten Weltkrieg bekannt sei.
Dem Bericht zufolge kann eine einzige Artilleriegranate bis zu 8000 Flechette-Pfeile enthalten. Explodiere sie, lösten sich die drei bis vier Zentimeter langen Pfeile und verteilten sich auf einem bis zu 300 Meter breitem und 100 Meter langem Gebiet. Im Körper eines Opfers könne der Pfeil in zwei Teile zerbrechen, wovon einer sich zu einem Haken biege – schwere und kaum vorhersagbare Verletzungsbilder können die Folge sein.
Beschuss kurz vor russischem Rückzug?
Der Guardian-Bericht untermauert die Zeugenaussage einer Bewohnerin der Region von Butscha sowie ihres Ehemannes, die wenige Tage zuvor von der »Washington Post« besucht worden waren. Svitlana Chmut sagte der Zeitung, sie habe zahlreiche der Projektile am Morgen des 25. oder 26. März auf ihrem Hof gefunden, nach einem Beschuss in der Nacht. Unter anderem hätten sich einige der Pfeile, die sie der Washington Post zeigte, in ihr Auto gebohrt. Kurze Zeit nach dem mutmaßlichen Flechette-Beschuss hatten sich die russischen Truppen zurückgezogen.
Trotz der Verletzungen, die Flechette anrichten kann, ist ihr Einsatz nach dem Völkerrecht nicht per se untersagt. Menschenrechtsgruppen bemühen sich jedoch schon seit langer Zeit um ein Verbot. Amnesty International wirft Israel vor , die Munition während der Operation »Cast Lead« im Gazastreifen im Winter 2008/2009 eingesetzt zu haben. Auch im Vietnamkrieg sei seitens der USA Flechette zum Einsatz gekommen, so der »Guardian«.