»Xi Jinping, tritt zurück« rufen die Menschen zu Hunderten, mitten in der chinesischen Metropole Shanghai. Auch alle Vertreter der Kommunistischen Partei fordern sie auf, zurückzutreten. Es sind Bilder, die es so aus China seit Jahrzehnten nicht gegeben hat: Seit Tagen gehen im ganzen Land immer mehr Menschen gegen die extreme Coronapolitik der Regierung auf die Straße.
Der Protest in Shanghai hatte in der Nacht zum Sonntag mit einer Mahnwache begonnen, für die zehn Menschen, die vor wenigen Tagen bei einem Hochhausbrand in Ürümqi in der Region Xinjiang im Nordwesten des Landes ums Leben gekommen waren. Als Zeichen gegen Zensur hielten die Menschen in Shanghai weiße Blätter hoch.
Die Protestierenden machen vor allem die strikten Lockdownmaßnahmen in Xinjiang für den Tod der Menschen verantwortlich. Die Bewohner hätten nicht vor den Flammen fliehen können, Gebäude seien verriegelt gewesen. Dazu seien Rettungskräfte wegen der Lockdownmaßnahmen zu spät vor Ort gewesen. Die Regierung weist all das zurück. Auch in Xinjiang selbst brachen zum Ende der Woche nach dem Hochhausbrand Proteste aus. Die knapp vier Millionen Einwohner von Ürümqi dürfen ihre Wohnungen seit Monaten nicht verlassen.
Auch in Chinas Hauptstadt Peking nehmen viele die strikten Lockdownmaßnahmen nicht länger hin, wie in diesem Wohnblock, der wegen steigender Infektionszahlen abgeriegelt wurde.
Ji Zhang, Hausbewohner und Rechtsanwalt
»Sie haben unser Gebäude vor drei Tagen abgeriegelt, und mitten in der Nacht haben sie mit einer Holzstange die Eingangstür versperrt, mit einem Schild, auf dem steht: ›Außer Betrieb‹. Angeblich standen sogar Leute vor der Tür, die die Bewohner daran hinderten, hinauszugehen. Als ich heute Morgen die Treppe herunterkam, sah ich die Holzstange und nahm sie weg, weil ich denke, dass es sich um eine Frage der Sicherheit handelt und die Hausverwaltung nicht das Recht hat, die Tür zu versperren. Ich habe die Tür geöffnet und die Polizei angerufen, um das zu melden.«
Wegen fehlender offizieller Papiere durften die Bewohner dieses Hauses ihre Wohnung vorerst wieder verlassen. China registriert derzeit rund 40.000 neue Corona-Fälle täglich – so viele wie noch nie seit Beginn der Pandemie. Angesichts der absoluten Null-Covid-Politik, die die Regierung nach wie vor verfolgt, ist daher eher mit Verschärfungen der Maßnahmen zu rechnen als mit baldigen Lockerungen.