Nur ein weiterer Test oder eine gefährliche Warnung? Nach Angaben des südkoreanischen Militärs hat Nordkorea am Dienstag zwei ballistische Kurzstreckenraketen Richtung Meer vor seiner Ostküste abgefeuert. Diese Aufnahmen, die im nordkoreanischen Staatsfernsehen veröffentlicht wurden, sollen das belegen. Nordkorea reagierte damit nach eigenen Angaben auf Militäraktionen seines Nachbarlandes Südkorea. Gemeinsam mit den USA hält Südkorea regelmäßig Manöver ab, seit Montag läuft das größte seit Jahren.
Bernhard Zand, DER SPIEGEL
»Zunächst einmal ist es das klassische Frühjahrs- und März-Manöver, das die USA und die südkoreanischen Streitkräfte über Jahre immer im März abgehalten haben und das sich in erster Linie gegen Nordkorea wendet. Das war immer die Lesart dieser Manöver. 2018 unter Donald Trump haben die USA diese Manöver vorübergehend praktisch ausgesetzt. Dass sie jetzt nach vier, fünf Jahren wiederkehren kann natürlich nicht ignorieren, wie sehr sich inzwischen auch das Verhältnis zwischen den USA und China verändert hat. China ist noch einmal stärker geworden. China hat sich an allen Fronten stärker aufgestellt gegen die USA.«
Neben dem koreanischen Konflikt haben auch Chinas Ansprüche gegenüber Taiwan ein großes Eskalationspotenzial. Staatspräsident Xi Jinping sprach davon, seine Armee zu einer »Mauer aus Stahl« auszubauen.
Bernhard Zand, DER SPIEGEL
»Das hat man während des Volkskongresses in Peking immer wieder vom Außenminister, vom Staatspräsidenten, vom Chefdiplomaten Wang Yi gehört: China sieht sich bedroht, umstellt, »contained« wie der Ausdruck lautet, aber auch eingekreist. Also die chinesische Perspektive hat sich sehr verschärft. Und dieses jetzt aktuelle koreanisch-amerikanische Manöver ist dort nur ein weiterer Beweis aus chinesischer Perspektive dafür, wie sehr es die Amerikaner und ihre Verbündeten im Westpazifik auf China abgesehen haben.«
Einen weiteren Affront sieht China in dem Treffen der Staatschefs Australiens, Großbritanniens und der USA am Montag. Im kalifornischen San Diego einigten sie sich darauf, dass Australien zur Verteidigung im Pazifik drei U-Boote von den USA bekommt. US-Präsident Joe Biden betonte, sie seien lediglich nuklearbetrieben und hätten keine Atomwaffen an Bord.
Bernhard Zand, DER SPIEGEL
»Aus der Perspektive möglicher Gegner, vor allen Dingen Chinas, ist das praktisch eine Keimzelle einer pazifischen Nato, also eines Blocks, der sich gegen sie formiert. Die Amerikaner bestreiten das ausdrücklich, die Briten bestreiten es auch. Die Australier bestreiten es am meisten, weil sie ähnlich wie Deutschland übrigens wirtschaftlich wahnsinnig eng mit China verknüpft sind. Aber es ist nun einmal ein Deal, den sie miteinander geschlossen haben. Es ist auch vollkommen klar, dass dieser sich in erster Linie gegen China richtet, aller diplomatischen, gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz. Das ist ganz offensichtlich. Und deswegen ist praktisch vorhersehbar, wie die Chinesen darauf reagieren werden, nämlich dadurch, dass sie ihrerseits weiter aufrüsten und diese Stahlmauer errichten wollen.«
In der südkoreanischen Hauptstadt Seoul gingen Menschen auf die Straße, aus Angst vor einem drohenden Krieg und um gegen die Politik der eigenen Regierung zu protestieren. Diese hatte zuletzt mehrfach die Anschaffung eigener Atomwaffen zur Abschreckung erwogen.
Bernhard Zand, DER SPIEGEL
»Sollte sich Südkorea tatsächlich eine eigene nukleare Abschreckung anschaffen, wäre das eine massive Verschärfung der Sicherheitslage im westlichen Pazifik. Eine Lage, die wir wegen des Ukrainekriegs in Europa etwas aus dem Blick verloren haben. Aber es wäre natürlich auch eine Erschütterung und ein Schock für die Position Südkoreas in der Welt. Denn wenn Südkorea das tatsächlich machen würde, hieße das, dass es aus dem Non-Proliferations-, also aus dem Nichtverbreitungsvertrag austreten müsste. Die diplomatischen und die wirtschaftlichen Konsequenzen dessen, die mag man sich gar nicht vorstellen, und die Reaktion der Chinesen schon erst gar nicht.«
Aber auch ohne südkoreanische Atomwaffen droht im pazifischen Raum eine weitere Aufrüstung aller Akteure – von einem Ausmaß, das historische Vergleiche zulässt.
Bernhard Zand, DER SPIEGEL
»Wir sind tatsächlich in einem neuen Kalten Krieg gelandet. Wir haben uns lange um diese Formulierung herumgedrückt und haben die Unterschiede herausgestellt zwischen dem Kalten Krieg des 20. Jahrhunderts und der Konstellation, die wir jetzt vor allen Dingen im Pazifik haben. Aber gerade dieses Schmieden von Allianzen, diese immer schärfer werdende Rhetorik auf beiden Seiten, dieses Gefühl des Eingekreist-Seins der einen und das Gefühl der anderen, dass alles, was die jeweilige Gegenseite tut, im Grunde eigentlich nur bestätigt, was man ohnehin von ihnen erwartet: das ist im Grunde der Kern dessen, was den Kalten Krieg ausgemacht hat. Es ist ein sehr dunkler Zustand der Weltpolitik, in den wir da hineingehen. Und das nicht nur in der Ukraine, die wir als Europäer natürlich genau zur Kenntnis nehmen, sondern eben hier auch am anderen Ende der Welt, am Pazifik.«