Corona-Epidemie eingedämmt Japan hebt Ausnahmezustand landesweit auf

Japans Premierminister Shinzo Abe
Foto:KIM KYUNG-HOON/ REUTERS
Japan hat das Ziel einer Eindämmung der Corona-Epidemie offenbar früher erreicht als erwartet: Die Regierung hob den Notstand für das gesamte Land vorzeitig auf. Premier Shinzo Abe erteilte am Montag die Freigabe auch für den Großraum Tokio sowie die nördlichste Provinz Hokkaido. Für die übrigen Landesteile hatte er den Ausnahmezustand bereits in der vergangenen Woche aufgehoben.
"Wir hatten sehr klare Kriterien für eine Aufhebung des Ausnahmezustands. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass wir diese Kriterien erfüllt haben", sagte Abe.
Ursprünglich war der 31. Mai als vorläufiges Enddatum vorgesehen. Der Notstand brachte allerdings von vornherein keine harten Ausgangsbeschränkungen wie in vielen europäischen Ländern mit sich. Die Bürger in Japan wurden nur gebeten, möglichst zu Hause zu bleiben. Die Gouverneure der Regionen konnten zudem die Schließung von Betrieben und Schulen anregen. Ausgangssperren und strikte Verbote durften die Behörden hingegen nicht verhängen.
Man habe die Situation so eingedämmt, dass eine Ausbreitung des Virus verhindert werden konnte, sagte der Premier. Nun könnten die Menschen wieder ihr Zuhause verlassen, Geschäfte dürften wieder öffnen. Sollte sich das Infektionsgeschehen wieder beschleunigen, könne der Notstand allerdings erneut verhängt werden, sagte Abe. Wegen der Corona-Pandemie waren auch die Olympischen Spiele, die im Sommer in Tokio hätten stattfinden sollen, um ein Jahr auf 2021 verschoben worden.
Der Premier appellierte an seine Landsleute, in der "neuen Normalität" weiter vorsichtig zu sein. Geschlossene und volle Räume sowie enger Kontakt sollten gemieden werden. "Wir müssen einen neuen Lebensstil entwickeln und unsere Denkweise ändern", sagte der Regierungschef. "Wenn wir unsere Schutzmaßnahmen lockern, wird sich die Infektion schnell wieder ausbreiten."
Kritiker warfen der Regierung vor, zu wenig zu testen
Der Trend der täglichen Neuinfektionen in Japan zeigt seit einiger Zeit nach unten. Das Land zählt rund 17.300 Infektionen und rund 850 Todesfälle. Kritiker hatten Abes Regierung vorgeworfen, viel weniger zu testen als andere Länder.
Die offiziell gemeldete Zahl der Infizierten bezieht sich ausschließlich auf mit Labortests nachgewiesene Infektionen. Wie viele Menschen sich tatsächlich täglich neu infizieren und bislang infiziert waren, ohne positiv getestet worden zu sein, ist unklar. Antikörperstudien zeigen, dass es eine erhebliche Dunkelziffer an unentdeckten Infektionen gibt.
Die offizielle Zahl der Toten beschreibt, wie viele Menschen mit dem Virus gestorben sind. In wie vielen Fällen die Infektion ursächlich für den Tod war, lässt sich daraus nicht unmittelbar ablesen. Obduktionsstudien zeigen aber, dass bei den meisten Toten die Covid-19-Erkrankung auch die Todesursache war.
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Andere Experten halten jedoch dagegen, dass Japan viel weniger Tote und Betroffene mit schweren Symptomen aufweise. Dazu habe beigetragen, dass in Japan mit seiner hohen Bevölkerungsdichte seit jeher hoher Wert auf Hygiene gelegt wird. Masken zu tragen ist in Japan normal. Hinzu kommen kulturelle Besonderheiten - wie das Verbeugen statt Händeschütteln, oder dass Japaner vor dem Betreten des Hauses immer erst die Schuhe ausziehen.
Wenngleich die Epidemie vergleichsweise glimpflich verlief, waren die Folgen für Japans Wirtschaft drastisch: Sie rutschte in die Rezession. Abes persönliche Beliebtheitswerte sind auf dem niedrigsten Stand seit Jahren.