Corona-Wiederaufbaufonds Kurz stellt sich gegen Merkel

Österreich ist gegen den geplanten Corona-Hilfsfonds der EU, den sich Deutschland und Frankreich ausgedacht haben. Rüstet Kanzler Kurz zu einem weiteren Fernduell mit Angela Merkel?
Eine Analyse von Walter Mayr
Österreichs Kanzler Kurz nach einer Presskonferenz in Wien (Archivbild)

Österreichs Kanzler Kurz nach einer Presskonferenz in Wien (Archivbild)

Foto: LEONHARD FOEGER/ REUTERS

Die Strategie des österreichischen Kanzlers ist bekannt. Sebastian Kurz beherrscht die Kunst, Spannung zu erzeugen und Neuigkeiten häppchenweise zu verfüttern. So auch, als er die Veröffentlichung eines von der Berliner und Pariser Linie abweichenden, "eigenen Entwurfs" zur Unterstützung hoch verschuldeter EU-Staaten am Dienstag ankündigte.

Rüstet der junge Regierungschef in Wien gerade zu einem weiteren Fernduell mit Angela Merkel? Will Kurz einmal mehr einen eigenen Weg gehen, wie schon 2015 in der Flüchtlingsfrage, als er die Schließung der Balkanroute gegen den Willen der Bundeskanzlerin vorantrieb? Und wie zuletzt während der Coronakrise, als Österreich bei der Verschärfung wie bei der Entschärfung der Maßnahmen voranging und schließlich vor allen anderen von einer baldigen Wiedereröffnung der Grenzen sprach?

Im Kanzleramt am Wiener Ballhausplatz ist man am Dienstagabend bemüht, die Wogen zu glätten, die Kurz am Nachmittag mit einem Interview in den "Oberösterreichischen Nachrichten" ausgelöst hatte. Darin erklärte er, der von Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Montag vorgelegte Entwurf für einen 500 Milliarden Euro schweren Wiederaufbaufonds unter der Aufsicht der EU-Kommission dürfe nicht widerspruchslos hingenommen werden.

Man werde "einen Vorschlag mit eigenen Ideen vorlegen", so Kurz: "Wir glauben, dass es möglich ist, die europäische Wirtschaft anzukurbeln und dennoch eine Vergemeinschaftung der Schulden zu vermeiden." Staaten, die besonders hart von der Krise betroffen seien, verdienten Solidarität, "allerdings glauben wir, dass Kredite der richtige Weg sind, nicht Zuschüsse."

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"Wir", das sind die "Frugal Four" ("Genügsame Vier") genannten EU-Nettozahler Österreich, Dänemark, Niederlande und Schweden. Länder, mit deren Regierungschefs Kurz nicht erst seit Ausbruch der Coronakrise auf Ausgabendisziplin innerhalb der Europäischen Union dringt.

Den deutsch-französischen Wiederaufbauplan, der vor allem Mitgliedstaaten im Süden des Kontinents zugutekäme, gibt man in diesem Kreis unisono wenig Kredit, weil die Begünstigten das schuldenfinanzierte Konjunkturprogramm zulasten der besser wirtschaftenden Länder quasi geschenkt bekämen.

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"Es braucht Investitionen in die Zukunft statt Kostenabdeckung für die Schulden der Vergangenheit"

"Die Finanzierung von nicht rückzahlbaren Zuschüssen lehnen wir nach wie vor ab", sekundierte am Dienstag der österreichische Finanzminister und Kurz-Vertraute Gernot Blümel: "Es braucht Investitionen in die Zukunft statt Kostenabdeckung für die Schulden der Vergangenheit."

Für die Regierenden in Berlin mag die Erfahrung noch befremdlich sein, aber dieser österreichische Kanzler verbirgt hinter verbindlichem Auftreten einen durchaus widerspenstigen Kern und sucht sich Partner für seine Anliegen je nach Anlass. In der Flüchtlingsfrage paktiert er mit den auf restriktive Zuwanderungsbestimmungen pochenden Ländern der Visegrad-Gruppe, in Fragen der Haushaltsbilanz setzt er auf die "Genügsamen Vier" - deren Standpunkt traditionell auch die Deutschen nahestehen müssten. Aber Angela Merkel trägt schwer an ihrer Rolle als Teil des deutsch-französischen Führungsduos und als Mittlerin zwischen den auseinanderdriftenden Interessensphären des nördlichen und südlichen Europas.

Auf Kadergehorsam darf die deutsche Regierungschefin, was Österreich angeht, dabei nicht rechnen. "Nachdem wir nicht im Bilde waren, was Merkel und Macron planen, dürfen die beiden sich nicht wundern, wenn sie nicht darüber im Bilde sind, was wir vorhaben", heißt es aus Wiener Regierungskreisen im Vorfeld des alternativen Entwurfs für ein Hilfsprogramm.

Ein einstimmiges Ja der EU zum deutsch-französischen Milliardendeal in seiner vorgeschlagenen Form gilt mittlerweile als ausgeschlossen. Um Kompromisse wird wohl bis mindestens Juni gerungen werden müssen. Was den Zustand der Demokratie innerhalb der EU angeht, ist das gar keine schlechte Nachricht.

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