Impfstofflieferungen für Westbalkan »Wir machen es Russland und China gerade zu leicht«

Die Impfstoffstrategie der EU-Kommission sorgt weiter für Ärger: Mitgliedstaaten und Nachbarländer wenden sich lieber an Russland oder China. Staatsminister Roth fordert ein »Zeichen der Solidarität« für den Westbalkan.
Lieferung des russischen Corona-Impfstoffs Sputnik V in Venezuela (Symbolbild)

Lieferung des russischen Corona-Impfstoffs Sputnik V in Venezuela (Symbolbild)

Foto: Matias Delacroix / AP

Die Europäische Union kämpft mit den Folgen ihrer fehlerhaften Impfstoffstrategie – nicht nur mit Blick auf die eigenen Mitgliedstaaten. Überall sind die Dosen knapp, weshalb einige Länder sich nach Alternativen zu den von der EU bestellten Präparaten umsehen.

Der Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), blickt mit Sorge auf chinesische und russische Impfstofflieferungen in den Westbalkan. »Wir machen es Russland und China gerade zu leicht, als Impfstofflieferanten geostrategischen Profit aus der Lage zu schlagen. Hier müssen wir dringend besser werden«, sagte er dem Nachrichtenportal »The Pioneer«.

Er forderte die Europäische Union auf, möglichst rasch Impfdosen an die Staaten des Westbalkans zu schicken und ein »Zeichen der Solidarität« zu setzen. »Die Menschen in der Region müssen spüren, dass wir sie nicht allein lassen.«

Serbien zeigt sich von EU enttäuscht

Serbiens Präsident Aleksandar Vučić sagte der »Bild«-Zeitung, seinem Land sei von EU-Seite viel versprochen worden. Er habe aber schnell gewusst, dass es viele Probleme geben würde, von der EU Impfstoffe zu bekommen. »Daher begannen wir, mit all den anderen zu arbeiten, inklusive Großbritannien, China, Russland, Vereinigte Arabische Emirate.« Vucic betonte: »Es geht nicht um Politik. Wir retten das Leben unserer Leute.«

Das EU-Land Ungarn bezieht bereits den russischen Impfstoff Sputnik V. Bisher wurden aber erst wenige Bürger damit geimpft. Ungarn bestellte in Russland zwei Millionen Dosen, die über die nächsten Monate geliefert werden sollen. Darüber hinaus plant die Regierung von Viktor Orbán den Einsatz von Millionen Dosen der Vakzine des chinesischen Unternehmens Sinopharm.

Auch Kroatien bemüht sich um eine Vereinbarung mit Moskau, wie Gesundheitsminister Vili Beros im öffentlich-rechtlichen Fernsehen HRT sagte. Man habe mit dem Kreml »diplomatische Kontakte geknüpft«. Dies sei »nur eine Ausweitung der Anstrengungen der Regierung, allen Bürgern unentgeltlich einen Impfstoff zur Verfügung zu stellen«.

Wichtig seien lediglich zwei Kriterien, fügte Beros hinzu: die Wirksamkeit und die Sicherheit. Sputnik V ist derzeit in der EU nicht zugelassen. Die kroatische Arzneimittelbehörde Halmed könne gegebenenfalls eine Notzulassung erteilen. Dies sei nach EU-Recht möglich, insbesondere wenn der Impfstoff innerhalb der EU knapp sei. »Jeder sucht nach seinem eigenen Weg«, sagte Beros.

Der Minister wollte sich nicht näher dazu äußern, in welchen Mengen Kroatien den russischen Impfstoff bestellen möchte. Das Nachrichtenportal jutarnji.hr berichtete am Mittwoch unter Berufung auf Quellen im Umkreis von Ministerpräsident Andrej Plenković, dass es sich um mindestens eine Million Dosen handeln würde. Damit könnten 500.000 Menschen geimpft werden. Kroatien hat vier Millionen Einwohner.

EU-Kommission stellt neues Pandemieprogramm vor

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will am Mittwochmittag Vorschläge zur besseren Bekämpfung von Pandemien vorstellen. Wie sie bereits im Vorfeld mitteilte, gehört dazu auch ein Programm zur Erforschung von Mutationen des Coronavirus. Ziel ist es demnach, Labors, Gesundheitsbehörden und Wissenschaftler zusammenzubringen, um Impfstoffe zu entwickeln, die auch gegen veränderte Viren helfen.

Mit ihren Vorschlägen zur »Bioverteidigung« will die Kommission die EU insgesamt besser beim Vorgehen gegen Gesundheitsgefahren aufstellen. Sie hatte schon im vergangenen Jahr eine neue Behörde für Gesundheitsnotfälle angekündigt. Diese soll eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor ermöglichen.

Die Kommission steht wegen ihrer zögerlichen Bestellstrategie bei der Impfstoffbeschaffung seit Wochen in der Kritik.

mes/dpa
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