Streit über Corona-Impfstoffpatente Pflegekräfte aus aller Welt werfen EU Menschenrechtsverletzungen vor

Ärmere Länder fordern, die Patente für Coronaimpfstoffe auszusetzen, doch die EU blockiert. Nun hat ein internationaler Pflegeverband Beschwerde bei der Uno eingereicht. Das soll die »Impfstoff-Apartheid« beenden.
Ein Junge im südafrikanischen Johannesburg erhält seine Coronaimpfung

Ein Junge im südafrikanischen Johannesburg erhält seine Coronaimpfung

Foto: Denis Farrell / AP

Gut zwei Jahre nach Ausbruch des Coronavirus im chinesischen Wuhan ist die Pandemie in vielen Ländern der Welt immer noch nicht unter Kontrolle. Die Variante B.1.1.529 aus Südafrika lässt befürchten, dass dies noch länger so blieben wird. Impfen gilt immer noch als die wirksamste Waffe gegen die Pandemie, doch in vielen Ländern gibt es viel zu wenig Impfstoff. Deshalb haben nun Pflegekräfte aus aller Welt vor den Vereinten Nationen (Uno) Beschwerde gegen die EU und vier weitere Länder eingereicht.

Ihr Vorwurf: Die Regierungen schaffen eine »Impfstoff-Apartheid« und verhindern durch ihre Blockade des TRIPS-Abkommens, dass Impfstoffe für die ganze Welt zugänglich gemacht werden. Das komme einer Menschenrechtsverletzung gleich. Das TRIPS-Abkommen schützt geistiges Eigentum und damit bislang auch die Patente für Impfstoffe gegen das Coronavirus.

Hinter der Beschwerde steht der Verbund »Global Nurses United« , der mehr als 2,5 Millionen Pflegekräfte aus insgesamt 28 Ländern vereint. Unter anderem sind Gewerkschaften aus den USA, Spanien und Griechenland im Verbund, aus Deutschland allerdings keine Organisation. Ihren Vorwurf richten die Pflegerinnen und Pfleger an die Mitgliedstaaten der EU, außerdem an Großbritannien, Norwegen, die Schweiz und Singapur.

Es ist Einzelpersonen wie Organisationen möglich, Beschwerden gegen Menschenrechtsverletzungen bei den Vereinten Nationen anzuzeigen. Eine Beschwerde muss auf nachprüfbaren Fakten beruhen, schwerwiegender Art sein und auf eine systematische Verletzung der Menschenrechte hindeuten.

»Global Nurses United« richtete ihre Beschwerde, die dem SPIEGEL vorliegt, an Tlaleng Mofokeng, Sonderberichterstatterin für Gesundheitsfragen beim Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen. »Diese Länder haben unsere Rechte und die Rechte unserer Patienten verletzt«, heißt es in der Beschwerdeschrift über die EU-Staaten – »und den Verlust ungezählter Leben verursacht«. So würden Menschenrechte in aller Welt verletzt. So hätten durch Corona allein mehr als 115.000 Menschen in der Gesundheitsbranche ihr Leben verloren.

Im Oktober 2020 hatten Indien und Südafrika vorgeschlagen, beim Patentschutz eine Ausnahme für alle Covid-19-bezogenen Technologien bei der Welthandelsorganisation WTO zu erwirken. Mehr als hundert Regierungen unterstützen die Idee mittlerweile, darunter die USA und Frankreich.

Merkel gegen Patentfreigabe

Deutschland hingegen, wo die mRNA-Pioniere Biontech und Curevac ansässig sind, lehnt sie ab. Die Hersteller wollen ihre Patente unbedingt geschützt lassen. Die geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist dabei auf ihrer Seite.

»Global Nurses United« argumentiert, die Patentfreigabe sei dringend notwendig. Mehr als 45 Prozent der Menschheit habe noch nicht eine Impfung erhalten. Reiche Länder würden sich Impfstoff sichern, während arme Staaten schutzlos dastünden.

Die Uno-Ärztin Mofokeng begrüßte das Schreiben der Pflegekräfte. Sie stünden seit Pandemiebeginn »an der Front und schützen uns«. Allein ihr Einsatz verleihe ihnen hier »moralische Autorität«.

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Ein Uno-Fachausschuss muss nun die Beschwerde prüfen und die betroffenen Regierungen zunächst um Stellungnahme bitten. Dann kann er eine Entscheidung treffen und Empfehlungen abgeben, um eventuelle Missstände zu beheben.

mrc
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