Verschwörungstheorie zu Corona Wirbelsturm der Verwirrung

Dutzende Telefonmasten in Großbritannien wurden beschädigt - weil Menschen tatsächlich glauben, die 5G-Technologie habe die Corona-Pandemie ausgelöst.
Verbrannter Telefonmast in Huddersfield, Nordengland: Ausgemachter Blödsinn

Verbrannter Telefonmast in Huddersfield, Nordengland: Ausgemachter Blödsinn

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OLI SCARFF/ AFP

Es ist eine Gruppe, wie man sie gerade dutzendfach bei Facebook findet. Meistens werden dort Bilder und Videos von Telefonmasten hochgeladen. Irgendwie sollen die Motive beweisen, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen der Coronavirus-Pandemie und dem neuen Mobilfunknetz 5G. In Kommentaren unter einem Post vom 16. April wird ernsthaft debattiert, ob es sich lohne, eine Petition gegen die neue Technologie einzureichen. Aber weil - man ist sich schnell darin einig - Petitionen vom Parlament sowieso ignoriert werden, schlägt ein Teilnehmer vor: "Dann müssen wir das Gesetz in die eigenen Hände nehmen und alle 5G-Masten zerstören."

Am Osterwochenende wurde in Birmingham tatsächlich ein Telefonmast in Brand gesetzt - ausgerechnet einer, der ein neu aufgebautes Krankenhaus für Coronavirus-Patienten versorgen sollte. Auch in London, in Essex, in Städten in Schottland und Wales wurden Masten angezündet. Der Branchenverband Mobile UK zählt rund 50 Fälle von Angriffen auf die Mobilfunkinfrastruktur seit dem Beginn der Pandemie. Drei Menschen wurden nach Brandanschlägen festgenommen. Ähnliche Fälle gab es bereits auch in Irland, auf Zypern, in Belgien und in den Niederlanden.

Zudem wurden Ingenieure und Handwerker, die für Mobilfunkanbieter arbeiten, seit dem Beginn der Pandemie immer wieder angegriffen oder bedroht. Die Gewerkschaft Communication Workers Union zählt mindestens 80 solcher Fälle. Mitarbeiter, die Routinechecks ausführten oder einfach Internetverbindungen reparierten, wurden angeschrien, mit Gegenständen beworfen und mit dem Tod bedroht. Ein Video, das auf Twitter verbreitet wurde, zeigt, wie eine Frau zwei Bauarbeiter auf der Straße beschimpft, die Kabel verlegen. "Wenn sie das einschalten, wird es alle umbringen, deshalb bauen sie Krankenhäuser", sagt sie.

Die Theorie über einen Zusammenhang zwischen 5G und der Seuche ist ausgemachter Unsinn - das wiederholen unermüdlich Politiker, Wissenschaftler und Vertreter von Mobilfunkanbietern. Doch die Gerüchte verbreiten sich weiter vor allem über soziale Medien – in Facebook-Gruppen, bei YouTube oder über den Messengerdienst WhatsApp.

Es sei ein "Wirbelsturm" verwirrter Ideen, die dort geäußert würden, sagt Gregory Davis, von der Organisation "Hope not Hate" , die sich gegen Hass und Rassismus engagiert. Es werde behauptet, das Virus existiere gar nicht und die Corona-Symptome seien in Wirklichkeit durch die Strahlung der 5G-Masten verursacht. Andere glauben, die Masten würden das menschliche Immunsystem schwächen und seien deshalb der Grund für die Verbreitung der Seuche. Die radikalste Variante dieser Verschwörungstheorien unterstellt eine globale Verschwörung: 5G mache krank und mit den Impfstoffen gegen das Coronavirus würden Mikrochips verabreicht, um die Bevölkerung unter Kontrolle zu halten.

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Am 31. Dezember 2019 wandte sich China erstmals an die Weltgesundheitsorganisation (WHO). In der Millionenstadt Wuhan häuften sich Fälle einer rätselhaften Lungenentzündung. Mittlerweile sind mehr als 180 Millionen Menschen weltweit nachweislich erkrankt, die Situation ändert sich von Tag zu Tag. Auf dieser Seite finden Sie einen Überblick über alle SPIEGEL-Artikel zum Thema.

Sogar mehrere Prominente wie der Boxer Amir Khan oder der Schauspieler Woody Harelson verbreiteten 5G-Verschwörungstheorien auf sozialen Medien. Die Regulationsbehörde für Telekommunikation, Ofcom, kritisierte zwei Fernsehsender für ihren Umgang mit dem Thema. Zum einem sendete die kleine Station London Live ein Interview mit einem bekannten David Icke, der schon lange Falschinformationen über 5G verbreitet. Ein Moderator des Senders ITV liebäugelte in seiner Sendung mit Verschwörungstheorien.

Facebook hat inzwischen mehrere Anti-5G-Gruppen gelöscht. Doch Dutzende vergleichbare Gruppe sind bis jetzt intakt. YouTube löschte ein Anti-5G-Video von David Icke, doch auf seiner persönlichen Seite ist es immer noch zu sehen. Der Link wird weiter in sozialen Medien verbreitet. Das Internet vergisst nicht - auch den größten Blödsinn nicht. 

"Es ist einfach, abstruse Ideen zu verlachen. Doch viele Menschen haben Angst. Und das ist ein ernsthaftes Problem", sagt Gregory Davis von "Hope not Hate". Nicht selten werden in Anti-5G-Gruppen auch antisemitische und ausländerfeindliche Parolen verbreitet. "Es könnte gefährlich werden, wenn die Menschen nicht mehr nur gegen Telefonmasten losschlagen."

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