Coronakrise in Südostasien Fiebermessen mit der Drohne

Polizeidrohne in Kuala Lumpur, Malaysia: Corona-Infizierte auf den Straßen aufspüren
Foto: Lim Huey Teng / REUTERS
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Wenn sie eine Person mit einer Körpertemperatur von mehr als 37,5 Grad Celsius aufspüren, blinkt bei den Beamten eine Benachrichtigung mit einem roten Lämpchen auf. »Danach sucht unser Vollzugspersonal den Ort auf, um die symptomatische Person zu identifizieren«, erklärt Polizeichef Rohaimi Md Isa.
Die insgesamt 157 Drohnen würden zwar »immens« bei der Überwachung Infizierter und der Einhaltung von Hygienemaßnahmen helfen, sagte der Polizeichef noch, »aber wir können nicht überall gleichzeitig sein«.
Impffabrik des Thai-Königs mit Lieferschwierigkeiten
Seit vergangener Woche befindet sich Malaysia im totalen Shutdown. Ende Mai vermeldete das 30-Millionen-Einwohner-Land täglich 9000 Neuinfektionen. Insgesamt mehr als 600.000 Menschen haben sich seit Beginn der Pandemie angesteckt. Nun wurden Feldlazarette hochgezogen, und Schiffscontainer zu behelfsmäßigen Leichenhallen umgebaut.
Inzwischen sind die Coronazahlen etwas zurückgegangen. Doch wie viele andere Länder in Südostasien kämpft der Staat aktuell gegen die dritte Welle. Neben Malaysia galten etwa Thailand, Taiwan oder Singapur bisher als Vorreiter in der Pandemie . Sie hatten im Vergleich zu Europa die Infektionen lange niedrig halten und das öffentliche Leben nach strikten Shutdowns teils weitgehend wiederherstellen können.
Nun müssen die Länder mit einem doppelten Problem umgehen: infektiösere Mutanten, die die Ansteckungszahlen in die Höhe treiben – sowie einem Mangel an Impfstoffen. Der Erfolg, den die Länder bisher in der Krise hatten, könnte nun zum Problem werden. Denn die neuen Virusvarianten treffen auf kaum genesene Bevölkerungen. Und die Impfkampagnen laufen in vielen Staaten Asiens schleppend an.
In Thailand sind etwa zwei Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft, in Malaysia 3,8 Prozent. In Indonesien, dem nach China und Indien bevölkerungsreichsten Land Asiens, erreichen die Infektionszahlen aktuell den höchsten Stand seit Februar, während erst vier Prozent der Menschen eine Coronaimpfung verabreicht wurde, seit dem Start der Kampagne Anfang Januar. In Taiwan sind bis zum 11. Juni 3,4 Prozent der Menschen mindestens einmal geimpft worden.
Der Grund für die langsamen Kampagnen: Es fehlt Impfstoff. Am Donnerstag meldeten Thailand und Myanmar, dass sich die Lieferungen des britisch-schwedischen Unternehmens AstraZeneca verzögern. Der Impfstoff wird zum Teil in einer Fabrik in Thailand produziert: In den Hallen von Siam Bioscience, einem Unternehmen, das dem thailändischen König gehört und zum ersten Mal einen Impfstoff herstellt, also keine Erfahrung in der Produktion hat. Das Unternehmen soll etwa 200 Millionen Dosen in acht Länder in Südostasien liefern, hinkt aber im Zeitplan hinterher. Die Philippinen erklärten etwa, dass sie die 17 Millionen Dosen aus der Fabrik noch nicht wie versprochen erhalten hätten.
In Thailand hatte die Tourismusbranche gehofft, dass sich das Land bis zum Beginn der nächsten Hochsaison wieder für Reisende öffnet, dass vielleicht auch die 14-Tage-Hotelquarantäne für Besucher bis dahin entfällt. Seit der Tourismus dort brach liegt, bangen viele Menschen um ihre Existenz. Doch nun, da die Coronazahlen wieder enorm steigen und thailändische Zeitungen von »Covid-Explosionen« schreiben, scheint diese Hoffnung in weite Ferne gerückt. Vor allem in Gefängnissen und Teilen Bangkoks und Chiang Mais verbreitet sich die britische Variante B.1.1.7 schnell.
In Malaysia könnte, so warnen Experten, der neue harte Shutdown gerade die Tagelöhner und arme Bevölkerung treffen. Das Land ist einer der Hauptexporteure für Einweghandschuhe und Schutzausrüstung gegen das Coronavirus. Die größte Plastikhandschuhfabrik des Landes vermeldete jüngst Rekordgewinne. Die Güter werden oft von Wanderarbeiterinnen und -Arbeitern unter Bedingungen produziert, die man als moderne Sklaverei bezeichnen kann. Viele Migranten kommen aus Nepal, Bangladesch, Indonesien oder Myanmar, sie schicken einen Großteil des verdienten Geldes nach Hause. Sie leben in Malaysia unter schlechten Bedingungen, in Sammelunterkünften. Dort, wo sich das Virus besonders schnell ausbreiten kann.
Mit Material der Agenturen
Anmerkung: In einer früheren Version des Artikels hieß es, Taiwan habe noch keine Zweitimpfungen vorgenommen. Dies ist nicht korrekt, wir haben die Stelle korrigiert.
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