Global Peace Index Experten sehen Frieden durch wirtschaftliche Folgen der Pandemie gefährdet

Forscher stufen die wirtschaftlichen Folgen von Lockdowns als "erhebliche Bedrohung für den Frieden" ein: Kürzungen bei Entwicklungshilfe und Friedensmissionen könnten zur Destabilisierung beitragen.
Polizist mit Maske im Jemen: Die Lage in dem Land könnte sich durch die Corona-Pandemie weiter verschärfen

Polizist mit Maske im Jemen: Die Lage in dem Land könnte sich durch die Corona-Pandemie weiter verschärfen

Foto: AHMAD AL-BASHA/ AFP

Die Corona-Pandemie ist ein weltweites Gesundheitsproblem – doch die ökonomischen Verwerfungen in der Krise bedrohen nach Ansicht von Experten auch den Frieden in vielen Ländern. Das geht aus dem neuen Global Peace Index der Denkfabrik Institute for Economics and Peace (IEP) hervor. Die Studie bilanziert jedes Jahr die Lage in mehr als 160 Ländern der Welt anhand von Kriterien wie Krieg, Terrorismus, Polizeigewalt und Waffenexporten. In diesem Jahr ergänzten die Experten den Bericht zudem um eine Analyse der möglichen Folgen der Coronavirus-Pandemie auf den Frieden in der Welt.

Insgesamt verzeichnete das IEP weltweit einen Rückgang friedlicher Verhältnisse in neun von zwölf der vergangenen Jahre. Das gilt auch für 2019. "Die Welt ist erheblich weniger friedlich, als sie 2008 war", heißt es in dem Bericht.

Dabei sei aber eine Zweiteilung zu beobachten in Gruppen von je 80 Ländern: Bei der einen Gruppe verbesserte sich die Situation, bei der anderen wurde es schlechter. Während die Todesfälle durch Terrorismus und die Intensität von Konflikten abnahmen, gab es immer mehr gewaltsame Ausschreitungen.

Deutschland ist friedlicher geworden

Die Pandemie dürfte die Situation weiter verschlimmern, schätzen die Experten: "Das IEP identifiziert die wirtschaftlichen Auswirkungen von Lockdowns als erhebliche Bedrohung für den Frieden." Es müsse mit Kürzungen bei Entwicklungshilfe und bei der Finanzierung von Uno-Friedensmissionen gerechnet werden. Das könne anfällige und von Konflikten betroffene Länder wie Liberia, Afghanistan und Südsudan weiter destabilisieren. Zudem seien Staaten wie Brasilien, Pakistan und Argentinien durch wirtschaftliche Turbulenzen einem erhöhten Risiko durch politische Instabilität, Unruhen und Gewalt ausgesetzt.

Der einzig positive Effekt der Corona-Pandemie sei möglicherweise, dass Stellvertreterkriege schwieriger zu finanzieren sein könnten, so die Experten. Es bleibe aber abzusehen, ob sich das Engagement Saudi-Arabiens im Jemen oder Russlands in Syrien verringere.

Deutschland stieg auf dem Ranking der friedlichsten Länder um sechs Plätze nach oben seit dem vergangenen Jahr und steht nun an 16. Stelle. Die Schweiz ist unverändert auf dem zehnten Platz und Österreich wie im vergangenen Jahr auf Platz vier. Das dem Index zufolge friedlichste Land der Welt ist Island. An letzter Stelle steht Afghanistan. Die Verbesserung in Deutschland gehe auf eine ganze Reihe von Indikatoren zurück, sagte IEP-Gründer Steve Killelea im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Dazu gehörten eine Abnahme von Waffenexporten, eine geringere Zahl an Tötungsdelikten sowie ein Rückgang terroristischer Vorfälle.

In zehn Jahren fast verdreifacht: Experten beobachten Zunahme von Unruhen

Auch weltweit ist die Zahl der Toten durch terroristische Angriffe rückläufig. Waren es 2015 noch etwa 33.500 Opfer, starben im vergangenen Jahr noch 8000 Menschen durch Terrorismus. In 100 Ländern gingen zudem die Militärausgaben im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt zurück, in 133 Staaten sank der Anteil der Militärangehörigen gemessen an der Gesamtbevölkerung.

Eine Zunahme war bei Unruhen zu beobachten. Im Jahr 2019 waren fast 60 Prozent aller Länder von gewaltsamen Protesten betroffen. Die IEP-Experten beobachten hier einen Langzeittrend: Die Zahl der Ausschreitungen weltweit hat sich demnach in den vergangenen zehn Jahren beinahe verdreifacht.

Die ökonomischen Kosten von Gewalt und Konflikten im Jahr 2019 bezifferte das Institut weltweit auf 14,5 Billionen US-Dollar, das sind umgerechnet rund 12,8 Billionen Euro.

mes/dpa
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