Chefin der neuen EU-Staatsanwaltschaft Das ist die Frau, vor der Europas Betrüger zittern sollen

EU-Generalstaatsanwältin Laura Kövesi kann nach jahrelangem Gezerre mit der Korruptionsbekämpfung beginnen. Doch ihre Behörde ist unterbesetzt – und muss sich schon jetzt gegen Sabotageakte wehren.
EU-Generalstaatsanwältin Kövesi: »Ein historischer Moment«

EU-Generalstaatsanwältin Kövesi: »Ein historischer Moment«

Foto: KENZO TRIBOUILLARD / AFP

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An der Bukarester Straße Știrbei Vodă 79-81 ist oft schon morgens viel los. Ab acht Uhr rollen Journalisten Kabel aus und richten ihre Kameras auf den Eingang der Antikorruptionsbehörde DNA. Bei Regen oder Sommerhitze stellen sie sich unter ein eigens aufgebautes Dach, rauchend, essend, plaudernd.

Die Warterei lohnt sich meist. Denn in den Jahren 2013 und 2014 tauchen vor dem DNA-Gebäude regelmäßig Politiker in Handschellen auf. Es sind Bilder, die Rumänien erschüttern und die Öffentlichkeit aufrütteln.

Laut Umfragen vertrauten zeitweise nur elf Prozent der Rumänen dem Parlament, aber 60 Prozent der DNA und deren Chefin Laura Codruța Kövesi.

Dieselbe Kövesi ist nun Chefin der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA), die am Dienstag offiziell ihre Arbeit aufgenommen hat. Kövesi kann jetzt nicht nur in einem, sondern in 22 EU-Ländern wegen Geldwäsche, Bestechung, Korruption oder Veruntreuung von EU-Geldern ermitteln.

Womit auch gleich schon eines ihrer Probleme benannt wäre: Dänemark, Irland, Polen, Schweden und Ungarn sind nicht dabei – offiziell, weil sie um ihre nationale Hoheit in der Strafverfolgung fürchten. Bei manchen dürfte auch eine Rolle spielen, dass Korruption Teil ihrer Politik ist.

»Ein historischer Moment«

EU-Justizkommissar Didier Reynders nannte den Arbeitsbeginn der EUStA – auch bekannt unter dem englischen Kürzel Eppo (European Public Prosecutor's Office) – einen »historischen Moment«. Die Eppo werde die rechtmäßige Verteilung von EU-Mitteln »aufmerksam überwachen«, twitterte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Kövesi selbst bezeichnete ihre Behörde als »das erste scharfe Instrument, um die Rechtsstaatlichkeit in der EU zu verteidigen«.

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Diese Aussage ist nicht nur deshalb selbstbewusst, weil die Eppo nur dann eingreifen kann, wenn der EU-Haushalt bedroht ist – und damit derselben Einschränkung unterliegt wie der erst kürzlich beschlossene Mechanismus zum Entzug von EU-Geldern für Rechtsstaatssünder.

Sie ist auch deshalb mutig, weil etwa mit Ungarn und Polen ausgerechnet jene zwei Länder mit den größten Rechtsstaatsproblemen in der EU nicht an der Eppo beteiligt sind. Und, weil selbst unter den Beteiligten nicht alle an einer konstruktiven Zusammenarbeit interessiert scheinen.

So hat der slowenische Regierungschef Janez Janša vergangene Woche die Ernennung zweier slowenischer Ermittler an Kövesis EU-Behörde blockiert – wohl aus Angst, die beiden könnten korrupte Machenschaften seiner Regierung aufdecken. Die slowenische Justizministerin trat daraufhin unter Protest zurück.

Kövesi warf Janša »das Fehlen aufrichtiger Zusammenarbeit« und Sabotage der Kontrollsysteme für EU-Mittel vor. Dass Janša die Eppo schon vor deren Arbeitsbeginn derartig missachtet – und das obendrein einen Monat vor der Übernahme der rotierenden EU-Ratspräsidentschaft durch Slowenien –, findet die Grünen-Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner »beschämend, aber auch bezeichnend für die Regierung Janez Janša«. Für die künftige Zusammenarbeit der Staatsanwaltschaft mit Ljubljana lässt es wenigstens nichts Gutes ahnen.

Schaden von fast 500 Millionen Euro pro Jahr

Und auf sie ist die Eppo angewiesen, auch in anderen Ländern. Denn die eigentliche Ermittlungsarbeit erledigen sogenannte delegierte Staatsanwälte in den Mitgliedstaaten – in Deutschland sind es elf. Sie können bundesweit tätig werden, die Beschlagnahmung von Vermögenswerten veranlassen, Haftbefehle beantragen oder Anklage erheben. Bisher aber haben nur zwei Drittel der Eppo-Mitgliedsländer alle delegierten Staatsanwälte bestellt. 52 von 140 Ermittlern fehlen noch.

Auch die Eppo selbst wirkt unterbesetzt. Bisher wurden nur 130 Stellen bewilligt, beantragt waren 290 – und das war, bevor die EU beschloss, ihren 1,1 Billionen Euro großen Mehrjahreshaushalt um ein 750 Milliarden Euro schweres Corona-Wiederaufbaupaket aufzustocken.

Die EU-Länder wollen und sollen dieses Geld so schnell möglich ausgeben, für die Kontrolle auf Rechtmäßigkeit dürften aber vielerorts kaum mehr Beamte zur Verfügung stehen. Beste Voraussetzungen also für Betrüger und organisierte Kriminelle.

Die haben sich schon in den vergangenen Jahren auf Kosten der EU-Steuerzahler die Taschen vollgemacht. Nach Angaben der EU-Kommission ist allein 2019 durch Betrug mit EU-Geldern ein Schaden von mehr als 460 Millionen Euro entstanden . Nicht umsonst rechnet man bei der Eppo mit der Verfolgung von 3000 bis 4000 Fällen pro Jahr.

»Die Glaubwürdigkeit der EU kann schweren Schaden nehmen«

Auch politisch steht viel auf dem Spiel für die EU, die für das Corona-Wiederaufbaupaket erstmals gemeinschaftlich Schulden aufgenommen hat – was etwa Finanzminister Olaf Scholz als »Hamilton-Moment« der EU feierte. Sollte in Deutschland aber der Eindruck entstehen, dass beispielsweise in Italien die Mafia oder in Ungarn Freunde von Regierungschef Viktor Orbán von dem Geld profitieren, dürfte der Hamilton-Moment schnell zum Rohrkrepierer werden.

»Wenn auch nur ein Teil dieser Gelder in dunklen Kanälen versickert, kann die Glaubwürdigkeit der EU schweren Schaden nehmen«, warnt etwa der FDP-Europaabgeordnete Moritz Körner. Dass die Eppo nicht besser ausgestattet wird, sei kaum nachvollziehbar. »Jede zusätzliche Stelle dort könnte sich bequem selbst finanzieren.«

Klar ist damit schon jetzt, dass auf Kövesi und ihrer Eppo vom Beginn an enorme Erwartungen lasten. Immerhin: In Brüssel traut man der Rumänin zu, den Job zu schaffen. In ihrem Heimatland etwa hat eine liberalkonservative Koalition die hochkorrupten Sozialdemokraten abgelöst, was auch Kövesis Verdienst ist.

Die 1973 als Tochter eines Staatsanwalts geborene Kövesi setzte sich schon früh gegen Widerstände durch. Als sie sich im Jurastudium auf Strafrecht spezialisieren wollte, beschied man ihr, das sei nichts für Frauen. Aber sie ließ nicht locker: »Ich hatte härter zu arbeiten als die Männer, um zu beweisen, dass auch Frauen als Staatsanwälte gut sein können.«

Kövesi machte Karriere im Justizapparat und übernahm schließlich die Antikorruptionsbehörde DNA. Die damals regierenden Sozialdemokraten, ein Auffangbecken für Ex-Kader aus der kommunistischen Partei Nicolae Ceaușescus, beuteten das Land unverfroren aus. Eines ihrer spektakulärsten Vorhaben: Sie wollten per Gesetz Korruptionsfälle bis zu einer bestimmten Summe straffrei stellen lassen.

Aus Wut wählten die Rumänen den liberalen Siebenbürger Deutschen Klaus Johannis zum Präsidenten. Doch auch er konnte nicht verhindern, dass der Justizminister Kövesi 2018 absägte. Sogar ein Verfahren wegen angeblicher Korruption strengten ihre Gegner an, das jedoch im Sande verlief.

Besonders ärgerte die Sozialdemokraten, dass Kövesi 2019 auch noch für das Amt der Europäischen Generalstaatsanwältin nominiert wurde. Die Regierung in Bukarest versuchte gar, Kövesis Wahl zur Eppo-Chefin mit einer Ausreisesperre zu verhindern – ohne Erfolg.

Ein Grund für das rabiate Vorgehen dürfte nicht nur ihre Arbeit als Ermittlerin sein, sondern auch, dass sie öffentlich selten ein Blatt vor den Mund nimmt. Betrug mit Steuermitteln sei nicht nur zu wenig bekannt, sagte sie am Dienstag zum Amtsantritt. »Er wird unterschätzt und oft sogar toleriert, alles zum Nutzen von Verbrecherorganisationen, die legitime Behörden untergraben und ersetzen wollen.«

FDP-Politiker Körner glaubt auch deshalb, dass Kövesi »die richtige Frau an der richtigen Stelle« ist: »Sie ist unbequem, und sie ist es auf sehr öffentliche Art.«

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