Aussage gegen Aussage Das ist über den Fall des getöteten Flüchtlings an der türkisch-griechischen Grenze bekannt

Die Türkei erhebt schwere Vorwürfe: Griechische Grenzer sollen einen Migranten getötet haben. Athen spricht von "Fake News". Eine forensische Untersuchung könnte neue Erkenntnisse zu dem Fall liefern.
Griechische Soldaten an der türkisch-griechischen Grenze: Alles "Fake News"?

Griechische Soldaten an der türkisch-griechischen Grenze: Alles "Fake News"?

Foto: ALEXANDROS AVRAMIDIS/ REUTERS

Die Türkei wirft den griechischen Behörden vor, für den Tod eines syrischen Flüchtlings an der Grenze zwischen den beiden Staaten verantwortlich zu sein. Berichten zufolge handelt es sich bei dem unlängst Getöteten um einen 22-Jährigen aus der syrischen Stadt Aleppo namens Mohammed al-A. - er soll von Gummigeschossen getroffen worden sein. Die Türkei macht griechische Grenzschützer dafür verantwortlich. Die griechische Regierung dementiert.

Nun gibt es neue Informationen zu dem Fall. Die Rechercheagentur Forensic Architecture (FA) mit Sitz am Goldsmith's College in London hat nach eigenen Angaben

  • mit Augenzeugen gesprochen,

  • Kontakt zur Familie von al-A. aufgenommen

  • sowie Videos gesammelt und ausgewertet, die kurz vor und kurz nach der Tat aufgenommen und in den sozialen Medien geteilt wurden.

Das Ergebnis der forensischen Untersuchung

  • Das Video, das den angeschossenen al-A. zeigt, soll bei Ipsala am Evros entstanden sein. Die Person, die das Video aufgenommen hatte, teilte laut Forensic Architecture dessen Metadaten. Daraus ergebe sich auch der Zeitpunkt der Aufnahme: Montagmorgen um 8.35 Uhr.

  • Den Angaben eines Zeugen zufolge erreichte eine Gruppe von Flüchtlingen, zu der auch al-A. gehörte, das Flussufer am Sonntagabend. Sie überquerte demnach den Fluss und verbrachte die Nacht auf einem kleinen Areal, das noch zum türkischen Territorium gehört. Al-A. postete der Agentur zufolge ein Foto von sich bei WhatsApp. Laut dem Zeugen versuchte die Gruppe dann am Morgen, den Grenzzaun zu überwinden. Sie hätten Schüsse gehört.

  • Al-A. soll nur wenige Meter von der Grenze entfernt angeschossen worden sein. Ein Video, das die Minuten danach zeigen soll, zeigt, wie eine Menschenmenge al-A. trägt und versucht, ihn wiederzubeleben. Laut FA wurde er anschließend zurück auf die Ostseite des Evros befördert.

  • Ein anderes Video soll das Übersetzen und die Ankunft am Ostufer zeigen. Männer tragen einen Körper; "Allahu akbar"-Rufe sind zu hören, Bäume und Antennen sind zu sehen. Mithilfe von Satellitenbildern will FA den genauen Ort am Ostufer des Flusses nachgewiesen haben. Anschließend sei al-A. in einem Auto zu einem Rettungswagen mit türkischem Kennzeichen gefahren worden. Dieser habe den Angeschossenen in ein Krankenhaus gebracht.

Ein Journalist der BBC hatte das fragliche Video zuerst auf Twitter veröffentlicht. Es zeigt, wie ein blutender Mann auf dem Boden liegt und von einer schreienden Menge umringt wird.

Nach Angaben des BBC-Journalisten hätten griechische Beamte den Mann an der Landgrenze in der Nähe des Flusses Evros getötet, nachdem er versucht habe, die Grenze zu überwinden. Das Video wurde oft geteilt. Es ist bislang nicht möglich, das Ergebnis der Untersuchung von Forensic Architecture zu verifizieren oder zu überprüfen.

DER SPIEGEL

Auch Augenzeugen berichteten nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa von Schüssen im griechisch-türkischen Grenzgebiet. Es gibt Bilder von Verletzten aus dem Krankenhaus im türkischen Edirne. Eine dpa-Reporterin an der Grenze hatte am Montagvormittag zunächst mindestens drei, kurz darauf eine Serie weiterer Schüsse gehört. Danach sei ein Ambulanzwagen in hohem Tempo aus dem Grenzgebiet gefahren, berichtete sie.

In der Vergangenheit hat der SPIEGEL mit FA zusammengearbeitet, um illegale Pushbacks am Evros aufzudecken. Die Spezialisten verifizierten dabei Bildmaterial in einem aufwendigen Verfahren und glichen es unter anderem mit anderen verfügbaren Daten wie Satellitenbildern ab.

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slü/asa
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