Mathieu von Rohr

Die Lage am Morgen Stoppt die Coronaviruspanik!

Mathieu von Rohr
Von Mathieu von Rohr, Ressortleiter Ausland

Liebe Leserin, lieber Leser, guten Morgen!

Heute beschäftigen wir uns mit der irrationalen Angst vor dem Coronavirus, dem nun endgültigen Ausscheiden der Briten aus der EU, den Drohungen von Donald Trump gegen seinen Ex-Berater John Bolton – sowie mit den deutschen Katholiken.

Welt im Ausnahmezustand

Es sieht schon unheimlich aus: Wenn die Lufthansa und weitere Fluggesellschaften China nicht mehr anfliegen und westliche Staaten ihre Bürger aus dem Land evakuieren; wenn sich das neuartige Coronavirus laut Behörden nun auch in der Hauptstadt Peking verbreitet und wenn eine offenbar gesund wirkende Frau aus Shanghai das Virus in eine bayerische Firma einschleppen kann - dann entsteht schnell der Eindruck einer Welt im Ausnahmezustand. Tatsächlich ergreifen Regierungen und Firmen derzeit drastische Maßnahmen, um die Verbreitung der neuen Lungenkrankheit aufzuhalten. Wissenschaftler arbeiten hektisch an einem Impfstoff. Heute entscheidet die Weltgesundheitsorganisation, ob sie den Gesundheitsnotstand ausrufen will. Momentan sieht es aber so aus, als ob sich der durch das Virus ausgelöste globale Angststurm, wie ihn der Kolumnist Sascha Lobo nennt, deutlich schneller verbreitet als das Virus selbst.

Schutzmaskenträger in Tokio

Schutzmaskenträger in Tokio

Foto: Eugene Hoshiko/ dpa

Zwar stimmt es, dass die Zahl der bestätigten Fälle rasch steigt: Am Mittwoch waren es 6065, das sind mehr Fälle als bei der Sars-Epidemie vor 17 Jahren. In China sind nach aktuellen Angaben 162 Menschen gestorben. Ja, das ist ernst. Aber es ist wichtig, ein paar Dinge in Erinnerung zu rufen: Nach allem, was wir bisher wissen, ist das Virus für die Infizierten zwar wohl gefährlicher als die normale Grippe - die Sterblichkeitsrate beträgt offenbar rund zwei Prozent, selbst dieser Wert könnte aber noch zu hoch sein. Das mit dem neuen Virus verwandte Sars-Virus hatte dagegen eine Sterblichkeitsrate von fast zehn Prozent. Den in Deutschland erkrankten Personen geht es nach Angaben der Gesundheitsbehörden gut. Natürlich ist vieles noch nicht erforscht an dem neuen Virus, und es bleibt wichtig, es an der Verbreitung zu hindern. Sinnvoll ist nach Angaben von Ärzten: sich auch jetzt noch gegen Grippe impfen zu lassen, sich regelmäßig die Hände zu waschen und zu desinfizieren. Nicht sinnvoll ist: Panik. Und das Verbreiten von Verschwörungstheorien.

Der tränenreiche Brexit

Jetzt fehlen nur noch die Unterschriften der 27 verbleibenden EU-Mitgliedsländer, damit das erste Land überhaupt die EU verlassen kann. Doch das ist nur noch Formsache, die Unterschriften werden heute im Verlauf des Tages erwartet ­- und dann ist der Austritt Großbritanniens aus der EU am Freitag um Mitternacht auch formal beschlossen. Bereits gestern stimmte das Europaparlament mit großer Mehrheit für das Austrittsabkommen. Im Alltag ändert sich zwar vorerst kaum etwas - bis zum Ende der Übergangsphase am 31. Dezember 2020. Und dennoch fühlte sich der Vollzug des nunmehr Unausweichlichen gestern im EU-Parlament für alle Seiten emotional an.

Farage freut sich über den Brexit

Farage freut sich über den Brexit

Foto: JOHN THYS/ AFP

Der Vordenker des Brexits, Nigel Farage, hielt eine triumphale Abschiedsrede, an deren Ende er und seine Parteigenossen den "Union Jack" schwenkten . Die EU-Parlamentarier sangen den Briten dafür ein wehmütiges Abschiedslied: "Auld Lang Syne" . Und auch viele der 73 britischen EU-Abgeordneten verlassen Brüssel unfreiwillig. Mein Kollege Markus Becker hat mit einigen von ihnen gesprochen. Hier beschreibt er, wie es ist, wenn Briten weinen .

Podcast Cover

Trump bedroht Bolton

Wir leben in einem Zeitalter, in dem man mit dem größten Unsinn davonkommt, wenn nur genügend Leute daran glauben wollen. Das zeigt sich besonders deutlich im Impeachment-Verfahren gegen Donald Trump: Die meisten republikanischen Senatoren sind längst auf eine neue Verteidigungslinie umgeschwenkt, seit bekannt geworden war, dass Ex-Sicherheitsberater John Bolton die zentralen Vorwürfe im Verfahren gegen Donald Trump bestätigt: Ja, sagt Bolton, der Präsident habe die Ukraine durchaus mit dem Einfrieren von 400 Millionen Dollar Militärhilfe dazu drängen wollen, gegen seinen politischen Gegner Joe Biden zu ermitteln.

Die alte Rechtfertigung Trumps lautete: Da sei nichts dran und er habe ein "perfektes Telefonat" mit dem ukrainischen Präsidenten geführt. Dagegen lautet die neue Version der Republikaner: Selbst wenn alles stimme, was Bolton erzähle, sei das noch lange kein Grund für eine Amtsenthebung. Alan Dershowitz, der Anwalt des Präsidenten, sagte sogar den unglaublichen Satz: Alles, was ein Präsident tue, um im Amt zu bleiben, diene dem nationalen Interesse. Nach dieser Logik hat sich niemand so gut um das Interesse seines Landes gekümmert wie Fidel Castro.

Trump und Bolton im Jahr 2018

Trump und Bolton im Jahr 2018

Foto: JONATHAN ERNST/ REUTERS

Was dazu allerdings nicht ganz passt: Das Weiße Haus hat Bolton nun offiziell gedroht und aufgefordert, sein Buch nicht zu veröffentlichen - angeblich aus Gründen der "nationalen Sicherheit". Eine bessere Werbung für sein Buch kann sich Bolton allerdings kaum wünschen: "Hier lesen Sie, was das Weiße Haus Ihnen vorenthalten will". 

Das Impeachment-Verfahren ist gestern in eine neue Phase eingetreten: Die Senatoren können der Anklage und der Verteidigung nun Fragen stellen - und nach wie vor sieht es so aus, als ob Mitch McConnell, der Mehrheitsführer im Senat, nicht genügend seiner Leute auf seiner Seite hat, um am Ende dieser Woche zu verhindern, dass das Verfahren weitergeht und Zeugen einbestellt werden.

Katholiken wollen Reformen

Es war schon mal leichter, Katholik zu sein. Irgendwie scheint es gerade zwei konkurrierende Päpste zu geben, was das Katholiksein deutlich verwirrender gemacht hat. Außerdem wird die Kirche heimgesucht von immer neuen Fällen von sexuellem Missbrauch an Kindern und Nonnen; die Ehelosigkeit der Priester und die Tatsache, dass nur Männer Priester sein dürfen, passen auch nicht so ganz in die Zeit. Und selbst wenn der eigentliche Papst Franziskus I. immer mal wieder Dinge sagt, die ihn deutlich lebensnaher und fortschrittlicher erscheinen lassen als seine Vorgänger, so wirkt der Katholizismus doch höchst reformbedürftig. Ab heute wollen die deutschen Katholiken in der ersten sogenannten Synodalversammlung darüber beraten, wie sich die Kirche reformieren ließe. In vier Foren wollen Laien und Bischöfe über Reformen beraten. Und zwar über: den Umgang der Kirche mit Macht, die kirchliche Sexualmoral, die Ehelosigkeit von Priestern und die Position der Frauen in der Kirche. Es ist ein Anfang: Zwei Jahre lang sollen die Gespräche dauern, dann sollen Reformen folgen - mal sehen, was der Papst dann dazu sagt.

Papst Emeritus Benedikt XVI. und Papst Franziskus

Papst Emeritus Benedikt XVI. und Papst Franziskus

Foto: DPA/ Osservatore Romano

Verlierer des Tages…

…sind die Staatschefs, die vor gut einer Woche in Berlin den Libyen-Konflikt lösen wollten und die sich jetzt öffentlich beharken: Erst kritisierte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, weil dieser weiterhin Waffen und Söldner nach Tripolis bringen lässt ­- und Erdogan beschuldigte umgehend Macron, dieser sei für die Instabilität in Libyen verantwortlich.

Schließlich hat Frankreich lange General Haftar unterstützt, der gerade versucht, Tripolis einzunehmen - während Erdogan den offiziellen Premier Sarraj unterstützt. Haftar erhält seinerseits massenhaft Truppen und Ausrüstung von seinen Unterstützern. Was der öffentliche Streit zeigt? Dass die internationalen Unterstützer der beiden Kriegsparteien, anders als sie in Berlin vorgaben, keinen Vorteil darin sehen, sich aus dem Krieg zurückzuziehen - und deshalb wird er erst einmal weitergehen. Vielleicht so lange, bis eine Seite gesiegt hat.

Die jüngsten Meldungen aus der Nacht

Die SPIEGEL+-Empfehlungen für heute

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Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.

Ihr Mathieu von Rohr

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