Reportage Die Wasserkrieger vom Tschadsee

Fischer Bulu Moussa: Hier zeigt sich, wie die Erderwärmung auch zum Treibstoff von Kriegen wird
Foto:Andy Spyra/ DER SPIEGEL
Der Tag, an dem Bulu Moussa seinen Bruder verliert, an dem der Krieg eskalieren wird, beginnt bereits mit einer Enttäuschung.
Kurz vor Sonnenaufgang steht Moussa auf, gießt sich, wie jeden Morgen, mit schlammigem Wasser einen grünen Tee auf und rührt Getreidebrei an. Er fährt hinaus auf den See, doch der Fang ist wieder zu klein, als dass alle im Dorf satt werden könnten. Er paddelt zurück auf die Insel Tchitchiro und läuft zu seiner Farm, auf deren Feldern die Hirse zu spät dran ist. Er ahnt, dass er auch dieses Jahr nichts wird ernten können. Weil das Wetter nicht mehr so ist, wie er es lange kannte.
Als gegen Mittag der Regen nachlässt, greifen 50 junge Männer ihre Netze und Speere. Sie fahren zur Nachbarinsel Dabourom, sagen sie, in den Gewässern um die Insel gebe es noch Fisch. Bulu und sein Bruder fahren mit. Als die hölzernen Pirogen über das Wasser gleiten, so erzählt er es vier Monate später, werden sie von den Männern aus Dabourom angegriffen. Ein Speer mit scharfer Metallspitze durchbohrt die Brust seines Bruders. Kurz darauf sind auch fünf der Angreifer tot.
Moussa steht vor dem Grab seines Bruders auf Tchitchiro. Er sieht müde aus. Seit zwei Jahren bekriegen sich die Inseln Tchitchiro und Dabourom im Tschadsee. Verteilt auf den beiden Inseln lebt eine Großfamilie, die um den Zugang zu sechs kleineren Inseln kämpft. "Wenn die Leute von Dabourom, unserer Nachbarinsel, das Land bekommen, werden unsere Rinder sterben. Dann war alles vergebens. Dann werden wir hungern. Dann ist mein Bruder umsonst gefallen", sagt Moussa. "Das Problem ist, dass es hier zu viele Menschen gibt. Zu viele Fischer für zu wenig Wasser, zu viele Viehhirten für zu wenig Gras."
Im Tschad, in Zentralafrika, ist schon heute eine Entwicklung zu beobachten, die in Zukunft immer öfter auftreten wird: wie sich bestehende Konflikte um Land und Ressourcen durch immer unberechenbarere Wetterphänomene weiter verschärfen. Hier zeigt sich, wie die Erderwärmung auch zum Treibstoff von Kriegen wird.
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