Anstehende US-Zwischenwahlen »Dies ist ein entscheidender Moment für die Nation«

Den Demokraten droht der Verlust der knappen Mehrheit im US-Kongress. Präsident Biden warnt, zwei Versionen von Amerika stünden zur Wahl. Die Ex-Präsidenten Obama und Trump machen derweil Stimmung auf ihre Art.
US-Präsident Joe Biden (l.) und der frühere Präsident Barack Obama als Unterstützer in Pennsylvania

US-Präsident Joe Biden (l.) und der frühere Präsident Barack Obama als Unterstützer in Pennsylvania

Foto: Kevin Lamarque / REUTERS

Die am Dienstag stattfindenden Zwischenwahlen entscheiden laut US-Präsident Joe Biden über das Schicksal der Demokratie in den USA. Die Demokratie stehe »buchstäblich auf dem Stimmzettel«, sagte Biden am Samstag (Ortszeit) bei einer Wahlkampfveranstaltung in Philadelphia. »Dies ist ein entscheidender Moment für die Nation, und wir alle, wir alle müssen mit einer Stimme sprechen«, sagte Biden.

In einer Rede vor Tausenden Menschen in der größten Stadt im US-Bundesstaat Pennsylvania sagte Biden, die Wähler stünden »vor der Wahl zwischen zwei sehr unterschiedlichen Visionen von Amerika«. Er und die demokratischen Kandidaten bezeichneten die Republikaner als die »Partei der Reichen« und betonten ihre eigene Unterstützung für Gewerkschaften, soziale Sicherheit und einen verstärkten Schutz des Rechts auf Abtreibung.

Biden setzt im Midterms-Wahlkampf auf seinen ehemaligen Chef, Ex-Präsident Barack Obama: Der 61-jährige Obama hatte sich zuletzt aktiv in den Wahlkampf eingeschaltet. Es war am Wochenende in der Metropole Philadelphia der erste gemeinsame Midterms-Auftritt mit dem 79-jährigen Biden, der unter Obama Vizepräsident war. Nur kurze Zeit später trat der republikanische Ex-Präsident Donald Trump ebenfalls in Pennsylvania vor Anhängern auf – in der Nähe von Pittsburgh.

Grundrechte, Vernunft und Anstand »auf dem Stimmzettel«

Obama forderte die Demokraten-Anhänger wiederholt auf, unbedingt wählen zu gehen. Viele Menschen würden der Politik nicht so viel Aufmerksamkeit wie in einem Präsidentschaftswahljahr schenken, sagte er. »Vielleicht denken sie, dass der Kongress nicht so wichtig ist. Vielleicht glauben sie nicht, dass ihre Stimme von Bedeutung sein wird«. Doch es würden Grundrechte, Vernunft und Anstand »auf dem Stimmzettel« stehen, sagte Obama und bezeichnete die Republikaner als zunehmend abgeneigt gegenüber allem – von der Wissenschaft bis zur Einhaltung von Regeln.

Den Demokraten droht bei der Abstimmung am Dienstag der Verlust der knappen Mehrheit im US-Kongress. Während das Repräsentantenhaus Umfragen zufolge wahrscheinlich an die Republikaner fallen wird, könnte es im Senat sehr knapp werden. In Pennsylvania besteht eine realistische Chance, dass die Demokraten den Republikanern einen Senatssitz abnehmen können. Der Demokrat John Fetterman tritt dort gegen den Republikaner und TV-Arzt Mehmet Oz an.

Donald Trump hat erneut Präsidentschaftskandidatur angedeutet

Trump nutzte einen Wahlkampfauftritt zur Unterstützung der republikanischen Kandidaten in der Stadt Latrobe in Pennsylvania zu der Behauptung, das Land werde von »Kommunisten« regiert. Der 76-Jährige redete vor einem Flugzeug, auf dem sein Name stand, und wiederholte die Lüge von der gestohlenen Präsidentenwahl 2020. »Wenn Sie die Zerstörung unseres Landes aufhalten und den ›amerikanischen Traum‹ retten wollen, dann müssen Sie am kommenden Dienstag in einer riesigen roten Welle für die Republikaner stimmen«, sagte er mit Anspielung auf die traditionelle Farbe seiner Partei. Trump deutete zudem wiederholt eigene Ambitionen seiner erneuten Präsidentschaftskandidatur an. In einer »sehr, sehr, sehr kurzen Zeit« würden seine Fans »so glücklich« sein, sagte er.

Sollten die Republikaner am Dienstag die Mehrheit im Repräsentantenhaus und womöglich auch im Senat von den Demokraten zurückerobern, dürfte er dies als sein Verdienst darstellen. Trump könnte das Momentum dann nutzen, um eine erneute Präsidentschaftskandidatur 2024 zu verkünden.

Ein Trump-Unterstützer in Latrobe, der 44-jährige Shawn Ecker, äußerte sich begeistert über die Aussicht einer Rückkehr des früheren Präsidenten, »weil wir unser Land zurück brauchen«. Und das werde »nicht passieren, wenn nicht jemand aufsteht, wie er es tut«.

»Ich habe Angst«, sagte hingegen die 57-jährige Verkäuferin Paige Heincer in Philadelphia, insbesondere angesichts der »großen Spaltung, die wir heute erleben«. Dennoch sei sie in gewisser Weise vorbereitet. Denn ihr sei klar geworden, »wie sehr die Hälfte der USA glaubt, dass bei den letzten Wahlen betrogen wurde, oder das Recht auf Abtreibung einschränken« wolle.

Pennsylvania ist einer der sogenannten Swing States, einer der wenigen Bundesstaaten, die über das allgemeine Kräfteverhältnis zwischen Demokraten und Republikanern entscheiden könnten. Aktuelle Umfragen sehen die Republikaner im Kampf um das Repräsentantenhaus weit vorne. Für den künftigen Senat werden wie bislang sehr knappe Mehrheitsverhältnisse erwartet. Mehrere wichtige Rennen, etwa in den Bundesstaaten Georgia, Nevada und Pennsylvania, haben keinen klaren Favoriten.

Biden hatte am Wochenende vor den Midterms noch mit einem politischen Problem zu kämpfen. Mit einer Aussage über die Abschaltung von Kraftwerken für fossile Brennstoffe war er seinem Parteifreund Joe Manchin auf die Füße getreten. Der Senator aus West Virginia ist selbst mit dem Kohlesektor verbunden und ging Biden öffentlich heftig an. Das Weiße Haus erklärte schließlich, Bidens Worte seien »verdreht worden«.

Schließlich sorgte Biden am Samstag noch mit einer besonders harschen Äußerung für Aufsehen: Bei einem Auftritt im Bundesstaat Illinois zu Kosten für Medikamente nannte er Demonstranten, die seine Politik mit Sozialismus vergleichen, »Idioten«.

kig/AFP/dpa
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