Zweites Impeachment gegen Trump Der Anstifter

Donald Trump: »Anstiftung zum Aufruhr«
Foto: JIM WATSON / AFPAm 6. Januar attackierten Anhänger Donald Trumps das US-Kapitol in Washington. Sie belagerten den Sitz des US-Kongresses zunächst und stürmten ihn dann. Die Ereignisse dieses Tages stehen im Mittelpunkt des heute beginnenden zweiten Impeachment-Prozesses gegen den Ex-Präsidenten.
»Anstiftung zum Aufruhr«, lautet der Vorwurf gegen Trump. Bei einer Kundgebung an diesem Tag stachelte er seine Anhänger mit martialischer Rhetorik an. Zuvor hatte er sie über Monate mit der Lüge aufgewiegelt , seine Wahlniederlage sei das Ergebnis von Betrug gewesen. Die Mitglieder des Senats werden am Ende des Verfahrens darüber urteilen, ob Trump sich mit seinem Verhalten »schwerwiegender Verbrechen und Fehlverhalten« schuldig gemacht hat.
Die Ankläger und Richter sind zugleich die Opfer
Die Entscheidung darüber, ob ein Präsident seines Amtes enthoben wird, ist letztlich eine politische. Dennoch ist das Verfahren, in dem diese Frage geklärt wird, einem Gerichtsprozess nachempfunden. Eine Besonderheit liegt diesmal darin, dass die Ankläger – die Abgeordneten des Repräsentantenhauses – und die Richter – die Mitglieder des Senats – zugleich auch Opfer des Vorfalls sind, um den es geht.
In einem 77-seitigen Schriftsatz , den sie vergangene Woche einreichten, schildern die Anklagevertreter, wie der Mob im Parlamentsgebäude gewählte Volksvertreter in Angst trieb. Kongressmitglieder hätten sich in ihren Büros verbarrikadiert, schrieben die demokratischen impeachment managers um den Abgeordneten Jamie Raskin. Andere zogen sich demnach Gasmasken über oder telefonierten aus Sorge, sie würden den Angriff nicht überleben, mit Angehörigen. Neben Vizepräsident Mike Pence hatten die Aufrührer es vor allem auf Nancy Pelosi abgesehen, die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses.

Der demokratische Kongressabgeordnete Jamie Raskin führt das Team der »impeachment managers« an
Foto: J. Scott Applewhite / APDass Trumps Gegner ein Amtsenthebungsverfahren vorantreiben, obwohl dieser das Amt gar nicht mehr bekleidet, ist auch vor diesem Hintergrund zu verstehen. Aus ihrer Sicht hat der Angriff auf das Kapitol gezeigt: Die Gefahr, die von Trump für die US-Demokratie ausgeht, ist so groß, dass er auch für die Zukunft von der Präsidentschaft ausgeschlossen werden muss. Sollte er verurteilt werden, wäre das in einem zweiten Schritt möglich.
Dass es dazu kommt, ist nach jetzigem Stand aber äußerst unwahrscheinlich. Um Trump zu verurteilen, würden neben den 50 demokratische Senatoren auch 17 Republikaner dafür stimmen müssen. Nur dann kommt die nötige Zweidrittelmehrheit zustande.
Doch ein erstes Votum Ende Januar kann bereits als Vorentscheidung zugunsten des Ex-Präsidenten gelten. Damals stimmten 45 von 50 republikanischen Senatoren gegen einen Fortgang des Prozesses. Ihre Linie: Trump sei nicht mehr im Amt, das Verfahren deshalb verfassungswidrig. Auch Trumps Verteidiger im Impeachment-Prozess, die Anwälte David Schoen und Bruce Castor, machten sich diese Argumentation zu eigen.
Der kürzeste Impeachment-Prozess der US-Geschichte
Die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit wird den ersten Prozesstag bestimmen; so haben es die Spitzen beider Parteien im Senat ausgehandelt, der Demokrat Chuck Schumer und der Republikaner Mitch McConnell. Der Vereinbarung zufolge ist für den heutigen Dienstag eine vierstündige Debatte zwischen den impeachment managers und Trumps Verteidigern zur Frage vorgesehen, ob ein Prozess auch nach Ablauf der Amtszeit zulässig ist. Anschließend stimmt der Senat über den Fortgang des Verfahrens ab.
Die Demokraten haben dabei die überzeugenderen Argumente auf ihrer Seite:
den Wortlaut der Verfassung, wonach »alle« Impeachments in die Zuständigkeit des Senats fallen,
den Präzedenzfall eines bereits zurückgetretenen Kriegsministers aus dem Jahr 1876 und
die Tatsache, dass Trump am 6. Januar noch Präsident war.
Vor allem aber haben die Demokraten die nötigen Stimmen. In dieser Frage genügt nämlich eine einfache Mehrheit.
Sollte diese – wovon stark auszugehen ist – zustande kommen, würde die nächste Phase des Verfahrens folgen: die Vorträge beider Seiten in der Sache. Schumer und McConnell haben dafür jeweils bis zu 16 Stunden veranschlagt, über mehrere Tage verteilt. Weder Raskin und die anderen Anklagevertreter noch Trumps Anwälte dürften die volle Zeit in Anspruch nehmen. Dieser Teil des Prozesses könnte schon am Freitag zum Abschluss kommen.
Die größten Fragezeichen birgt die letzte Prozessphase. In dieser bekommen die Senatoren die Gelegenheit, Fragen zu stellen. Außerdem wird womöglich darüber debattiert, ob Zeugen vernommen werden sollen. Die demokratischen Anklagevertreter forderten Trump vergangene Woche auf, freiwillig vor dem Senat auszusagen; der lehnte ab.
Unklar ist, ob sie ihn oder andere Zeugen vorladen werden. Manche Demokraten sind dafür. Sie führen an, dass die Vernehmung von Zeugen wie Trumps Stabschef Mark Meadows helfen könnte aufzuklären, wie sich der Ex-Präsident nach seiner Rede und während der Stürmung des Kapitols verhielt. Andere sind dagegen. Sie warnen davor, sich in Details zu verheddern, wie sie es im ersten Amtsenthebungsverfahren gegen Trump vor gut einem Jahr taten.
In jedem Fall sind die Demokraten bestrebt, ihre Vorträge schlicht und verständlich zu halten. Sie wollen Bilder sprechen lassen und ihre Beweisführung maßgeblich auf Videoaufnahmen stützen.
Beide Parteien sind zudem an einem deutlich schnelleren Verfahren als beim letzten Mal interessiert. Die Republikaner, weil die Frage nach dem Umgang mit Trump und seinem Erbe die Partei spaltet; die Demokraten, weil sie sich schnellstmöglich Joe Bidens Corona-Hilfspaket widmen wollen.
Schon Anfang kommender Woche könnten die Senatoren ihr Urteil sprechen. Es wäre der kürzeste Impeachment-Prozess der US-Geschichte.
Anmerkung: Eine frühere Version dieses Artikels enthielt einen unzutreffenden Hinweis auf ein Instagram-Video der Abgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez. Wir haben die Stelle korrigiert.