Eigentlich gibt es derzeit viel Gesprächsstoff in den USA: Mehr als 180.000 Corona-Tote, ein gefährlicher Hurrikan, Unruhen in Wisconsin nach einem erschütternden Fall von Polizeigewalt. Doch auf dem Parteitag der US-Republikaner schienen diese Themen nicht so wichtig zu sein.
Marc Pitzke, US-Korrespondent
"Stattdessen gab es ein Lügengebäude, eine Science-Fiction-Erzählung, eine Parallelwelt, ein Fantasy-Land aus Geschichten, in deren Mittelpunkt Trump stand, der Retter der Nation und Joe Biden, der größte Feind, den die Nation seit ihrem Bestehen gehabt hat."
Besonders drastische Worte wählte Vize-Präsident Mike Pence, der davor warnte, dass bei einem Wahlsieg von Biden "Chaos und Gewalt" drohe.
Mike Pence, Vize-Präsident
"Wenn ihr euch die Agenda anschaut, ist klar: Joe Biden wäre ein trojanisches Pferd der radikalen Linken. Die Wahl war nie eindeutiger, und der Einsatz nie höher. Vergangene Woche hat Joe Biden gesagt, die Demokratie stünde zur Wahl. Aber die Wahrheit ist: Unser wirtschaftlicher Aufschwung steht zur Wahl. Recht und Ordnung stehen zur Wahl."
Marc Pitzke, US-Korrespondent
"Das Drehbuch ging ungeachtet der Realitäten draußen weiter. Es wurde zweimal nur von dem Hurrikan gesprochen, es wurde von "Black Lives Matter" überhaupt nicht gesprochen. Stattdessen war die Rede von marodierenden Horden, von Radikalen, Linken, Anarchisten, die Städte in Brand zündeten und vor denen man die weißen Vorstädte beschützen müsste. Klar, natürlich ein Ziel, gezielt auf die Trump-Basis, die in Angst und Schrecken versetzt werden soll, damit sie auch möglichst Trump wählt."
Was alle Redner und Rednerinnen gemeinsam hatten: Sie zeichneten ein Bild, das Donald Trump als mitfühlenden, empathischen Mann zeigt. Einer, der anpackt:
Marc Pitzke, US-Korrespondent
"Trump, der Menschenfreund, der Freund der Frauen, Freund des Militärs, der beste Freund der Afroamerikaner seit Abraham Lincoln. Trump, der Mann, der das Coronavirus besiegt hat, im Alleingang weltweit. Alles Quatsch. Alles widerlegt. Allein die Sache mit den Frauen. Die haben eine ganze Menge von Frauen aufmarschieren lassen. Diese Frauen bezeugten in bebenden Ton, was für ein toller Mann Trump ist und wie er sie gefördert hat-
Lara Trump, Ehefrau von Eric Trump
"Geschlecht hat keine Rolle gespielt. Was zählte war die Fähigkeit, den Job zu erledigen. (…) Also hat es mich nicht überrascht, als Präsident Trump so viele Frauen in wichtige Positionen in seiner Regierung befördert hat"
Marc Pitzke, US-Korrespondent
"Aber im Kabinett: 23 Sitze, vier davon Frauen. Ein Frauenfreund sieht anders aus."
Bemerkenswert war auch der Auftritt des ehemaligen US-Botschafters in Berlin Richard Grenell, ein glühender Trump-Verehrer, der so manchen deutschen Politiker vor den Kopf gestoßen hatte.
Richard Grenell, ehemaliger US-Botschafters in Berlin
"Ich habe gesehen, wie Präsident Trump Kanzlerin Merkel erfolgreich umgarnt hat, während er darauf bestanden hat, dass Deutschland seine NATO-Beiträge zahlt."
Marc Pitzke, US-Korrespondent
"Da würde ich gerne mal im Kanzleramt nachfragen, ob das auch so sehen. Wahrscheinlich eher nicht."
Es war eine verkehrte Welt, die auf dem Parteitag der Republikaner gezeichnet wurde. Morgen soll der Höhepunkt des Spektakels folgen. Dann wird Donald Trump die Nominierung offiziell annehmen - und eine Rede halten.