Impeachment-Prozess gegen Trump Freispruch zweiter Klasse

Mit der Entscheidung des Senats, keine weiteren Zeugen heranzuziehen, ist das Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Trump so gut wie gescheitert. Doch nicht nur die Republikaner wirken erleichtert.
Aus Washington berichtet Roland Nelles
Capitol in Washington: Aus, vorbei

Capitol in Washington: Aus, vorbei

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MARY F. CALVERT/ REUTERS

Mehr Drama geht kaum. Der Präsident saß in der Air Force One auf dem Weg nach Florida - zur selben Zeit zählten sie im Senat in Washington die entscheidenden Stimmen. Würde sich eine Mehrheit für die Anhörung neuer Zeugen im Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump finden?

Dann die Erleichterung bei den Republikanern. Der Oberste Richter des Supreme Court, John Roberts, der stets in schwarzer Robe über dem Prozess thront, verlas das Ergebnis: Mit 51 zu 49 Stimmen lehnte der Senat die Befragung ab. Damit ist nunmehr klar, Trump hat es fast überstanden. Das von den Demokraten angestrengte Impeachment ist so gut wie gescheitert und wird schnell beendet. Sollte nicht noch eine riesige Überraschung passieren, dürfte Trump in einer nunmehr für Mittwoch geplanten finalen Sitzung vom Senat freigesprochen werden. Vorher werden die Senatoren am Montag noch über das Impeachment debattieren können. Niemand rechnet aber ernsthaft damit, dass sich jetzt noch eine Zweidrittelmehrheit für die Amtsenthebung finden wird.

Ab nach Florida: Donald und Melania Trump verlassen das Weiße Haus

Ab nach Florida: Donald und Melania Trump verlassen das Weiße Haus

Foto: Martin H Simon/POOL/EPA-EFE/REX

Die mögliche Anhörung neuer Zeugen war die letzte Hoffnung der Demokraten in diesem Polit-Krimi. Sie wollten insbesondere erreichen, dass Trumps früherer Sicherheitsberater John Bolton in dem Prozess gegen Trump aussagen sollte. Bolton wird als Schlüsselzeuge gesehen. Er sollte die gegen Trump gesammelten Beweise vor den Senatoren bestätigen und damit die Stimmung noch einmal zugunsten der Demokraten drehen.

Impeachment hätte Kulturkämpfe im Land "mit Benzin angeheizt"

Aus, vorbei: Die Mehrheit der Republikaner hielt dem Druck, Bolton vorzuladen, stand. Lediglich die Senatoren Susan Collins und Mitt Romney stimmten mit den 47 Abgeordneten der anderen Seite für neue Zeugen. Die anderen beiden möglichen Wackelkandidaten Lisa Murkowksi und Lamar Alexander hatten bereits vor der Abstimmung mitgeteilt, dass sie den Wunsch nach neuen Zeugen nicht unterstützen würden.

Bemerkenswert war vor allem die Argumentation von Alexander, der als einer der Veteranen im Senat gilt und dessen Urteil viele Senatoren folgen. Er erklärte, Trump habe sich in der Ukraineaffäre zwar "unangebracht" verhalten, dies reiche aber nicht für eine Amtsenthebung aus. Außerdem sei es gefährlich, wenn der Senat beschließen würde, dass Trump bei der Wahl im November nicht wieder antreten dürfe. Viele Menschen würden das nicht akzeptieren, meinte Alexander. So würden die ohnehin tobenden Kulturkämpfe im Land nur "mit Benzin weiter angeheizt".

Für Trump und seine Republikaner ist die Entscheidung des Senats ein voller Erfolg. Es zeigt sich, dass die Partei weiterhin zu einem großen Teil hinter dem Präsidenten steht. Das dürfte Trump Rückenwind für den Wahlkampf geben. Am Dienstag kann er zudem nun wie geplant seine Rede zur Lage der Nation halten. Dies ist eine schöne Gelegenheit für ihn, nach vorne zu blicken und für seine Wiederwahl zu werben.

Was weiß Bolton wirklich?

Die Demokraten müssen derweil mit der bitteren Niederlage klarkommen. Sie versuchen, politisch das Beste daraus zu machen. Sie verweisen darauf, dass ein Scheitern des Amtsenthebungsverfahrens keineswegs als Freispruch für Trump zu werten sei. Zugleich werfen sie Trump und den Republikanern Vertuschung vor. Für die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, ist klar: "Man kann nicht freigesprochen werden, wenn es keinen richtigen Prozess gibt. Und es gibt keinen richtigen Prozess, wenn keine Zeugen vernommen werden und keine Dokumente herangezogen werden."

Ohne Frage hätte eine Befragung von John Bolton für weitere Klarheit in der Ukraineaffäre sorgen können. Nun wird Bolton sein Wissen vermutlich in Interviews und in seinem im März erscheinenden Buch preisgeben. Seit einigen Tagen schon kommen Einzelheiten aus dem Buch vorab via "New York Times" ans Licht. So berichtete das Blatt über ein Gespräch zwischen Bolton und Trump im vergangenen Mai, in dem der Präsident seinen damaligen Sicherheitsberater aufgefordert haben soll, dabei mitzuhelfen, Druck auf die ukrainische Regierung auszuüben, damit sie Ermittlungen gegen seinen politischen Rivalen Joe Biden und dessen Sohn Hunter unterstützt. Trump und das Weiße Haus wiesen den Bericht als "falsch" zurück.

Politik paradox: Es gibt einige Demokraten, die über das jähe Ende des Trump-Prozesses bei aller Bitterkeit auch ziemlich erleichtert sein dürften. Es sind all jene Senatoren, die sich um die Präsidentschaftskandidatur der Partei bewerben. Statt die meiste Zeit in dem Prozess in Washington sitzen zu müssen, können sie nun wieder ungestört Wahlkampf in der Provinz machen. Die Senatoren Bernie Sanders, Amy Klobuchar und Elizabeth Warren brachen nach dem Ende der Verhandlungen am Freitag sofort nach Iowa auf. Dort findet am Montag die erste Vorwahl in dem Rennen statt. In den letzten Tagen mussten sie sich in Iowa von Verwandten und politischen Freunden im Wahlkampf vertreten lassen.

Joe Biden, der schon lange kein Senator mehr ist, hatte dafür die Wahlkampfbühne in Iowa praktisch ganz für sich alleine. Das war schön für ihn. Allerdings dürfte auch er erleichtert sein, dass die Impeachment-Saga nun so gut wie beendet ist.

Hätte der Senat für neue Zeugen in der Ukraineaffäre gestimmt, wäre Biden mit Sicherheit ebenfalls in den Zeugenstand gerufen worden. Sein Name stand ganz oben auf einer möglichen Zeugenliste der Republikaner. Das bleibt Biden jetzt erspart.

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