Mit viel Pathos ist US-Präsident Donald Trump aus dem Krankenhaus ins Weiße Haus zurückgekehrt, um seine Corona-Infektion dort weiter auszukurieren. Auf Twitter veröffentlichte er dazu ein pompöses, dramatisch inszeniertes Video.
Die Botschaft des Kurzfilms ist klar.
Wolfgang Höbel, DER SPIEGEL:
"Es ist so eine Happy-End-Inszenierung wie man sie aus vielen Hollywood-Filmen kennt. Man hat das Gefühl, hier passiert etwas ganz Heroisches. So ein Finale von einem Roland-Emmerich-Film, wenn die Welt doch wieder gerettet ist. Die Musik suggeriert uns: Helden sind unterwegs und es ist nochmal alles gut gegangen."
Einiges haben die Filmemacher bereits hervorragend inszeniert, anderes ist cineastisch betrachtet ? noch ausbaufähig - und das betrifft besonders die Leistung des Hauptdarstellers.
Wolfgang Höbel, DER SPIEGEL:
"Die Landung war aeronautisch perfekt. Also man muss sagen: Wunderbar, wie dieser Hubschrauber auf dem Rasen des Weißen Hauses aufsetzt. Die Landung des Präsidenten, der dann aus dem Flugzeug aussteigt, hätte ein guter Regisseur aber sehr oft nachgedreht. Man sieht ihn schwanken und wackeln und da ist Luft nach oben. Er wankt also wie so ein Überlebender zurück ins gut erleuchtete Heim."
Was auffällt, sind Länge und Tempo des Schnitts. 15 Einstellungen in nur 37 Sekunden – dahinter steckt eine klare Absicht des Trumpschen Filmteams.
Wolfgang Höbel, DER SPIEGEL:
"Sie möchten möglichst viel in dieser kurzen Zeit unterbringen und natürlich möchten sie ein Energielevel suggerieren, das der Präsident nicht so ausstrahlt. Wenn schon der Hauptdarsteller sehr gemächlich unterwegs ist, dann muss wenigstens der Schnitt Tempo und Kraft suggerieren."
Aber auch wenn das Projekt zumindest auf den ersten Blick direkt aus Hollywood stammen könnte – so entspringt es eigentlich doch einem anderen Genre.
Wolfgang Höbel, DER SPIEGEL:
"Das Lustige an diesem Video ist, dass es letzten Endes ja doch nicht wie ein richtiger Hollywood-Film aussieht, sondern mehr wie ein Werbevideo eines Mittelstands-Unternehmens. Man denkt, gerade wenn man am Ende dieses hell erleuchtete Haus sieht, an einen Lampen- oder Türenhersteller. Und der große Vorsitzende, der da oben auf dem Balkon steht, ist möglicherweise nur der Firmenchef dieses Lampenladens, der nochmal zeigt, was für eine Strahlkraft seine Produkte haben."
Ein Monolog Trumps, der in einigen Nachrichten-Videos zu sehen war, hat es nicht in den Film geschafft.
Wolfgang Höbel, DER SPIEGEL:
"Ein großer Vorteil von diesem Video ist: Hier wird endlich mal nicht gesprochen. Man hört nur die Musik und die ist wirklich im Fall von Donald Trump erträglicher, als wenn er den Mund aufmacht. "
Die gute Nachricht: Sollten die USA ihren Hauptdarsteller im Weißen Haus durch die Wahl am 3. November tatsächlich austauschen, hat Trump fast ein halbes Jahr Zeit für ein neues Projekt: Die nächste Oscarverleihung findet erst am 25. April 2021 statt.
Anmerkung: In einer früheren Version des Videos und des Transkripts war die Rede von Donald Trump als "militärisch völlig ungebildetem Präsidenten". Tatsächlich aber hat Trump als Jugendlicher die New York Military Academy besucht.