Trump und der Statuenstreit Der Denkmalschützer

US-Präsident Donald Trump kümmert sich kaum noch um das Coronavirus, dafür schwingt er sich zum Verteidiger historischer Statuen im Land auf. Was steckt dahinter?
Eine Analyse von Roland Nelles, Washington
Melania und Donald Trump bei einer Kranzniederlegung am "Korean War Veterans Memorial" in Washington

Melania und Donald Trump bei einer Kranzniederlegung am "Korean War Veterans Memorial" in Washington

Foto: Tom Brenner/ REUTERS

Wenn US-Präsident Donald Trump vor die Tür des Weißen Hauses tritt, sieht er überall nur Denkmäler, Erinnerungstafeln oder Monumente. Auf der einen Seite liegt der Lafayette Square mit den Statuen von früheren Militärs wie Andrew Jackson, Baron von Steuben oder dem Marquis de Lafayette.

Auf der anderen Seite ragt das Washington Monument in die Höhe, dahinter liegen das Jefferson Memorial oder auch - ein Kuriosum - der "Garden of German-American Friendship". Das eher kleine Parkareal südlich vom Weißen Haus wurde dereinst von Ronald Reagan und Helmut Kohl angelegt.

Washington und viele andere Metropolen in den USA sind voll von solchen Erinnerungsstätten. Der Präsident hat sich dafür bislang kaum interessiert. Doch seit im Zuge der "Black Lives Matter"-Proteste einige Denkmäler von Demonstranten niedergerissen oder beschmiert wurden, hat Donald Trump das Thema Statuen für sich entdeckt. Wie die amerikanische Geschichte und wichtige Figuren in ihr gesehen werden sollen, will er möglichst allein festlegen.

Fast kein Tag vergeht, ohne dass Trump derzeit seine Anhänger zum Kulturkampf gegen einen vermeintlichen "linken Mob" aufruft, der im Verbund mit dem demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden Amerikas "großartige Geschichte" und deren "Helden" auslöschen wolle. Bei seiner inzwischen schon berühmt-berüchtigten Rede am Mount Rushmore am vorigen Wochenende verstieg sich Trump sogar zu der Behauptung, in den USA sei ein "linksradikaler Faschismus" auf dem Vormarsch, den allein er stoppen könne.

Wer es wagt, Fragen zu stellen, ist ein vaterlandsloser Geselle

Mehr und mehr zeigt sich, dass Trump den Denkmalstreit zu einem zentralen Bestandteil seines Wahlkampfs machen will, um seine drohende Abwahl am 3. November zu verhindern. Die Coronakrise blendet er aus, dafür entwickelt Trump einen regelrechten Statuentick.

Er hat die Errichtung eines Statuenparks angekündigt. Dort sollen die Abbilder großer Helden der amerikanischen Geschichte gezeigt werden. Und: Offenbar denkt das Team des US-Präsidenten nun sogar darüber nach, Statuen bei seinen politischen Kundgebungen aufstellen zu lassen. Der Sender ABC berichtet, diese Idee werde derzeit geprüft, ein Vorschlag sei, Abbilder der Gründungsväter der USA zu zeigen.

Wie so oft bei Trump, geht im Denkmalstreit einiges munter durcheinander:

  • Einerseits setzt er sich für den Erhalt von Statuen von Südstaaten-Generälen ein, ein Freundschaftswink an alle Rassisten im Land.

  • Andererseits will er in seinem Statuenpark auch Abbilder von schwarzen Kämpfern gegen die Sklaverei wie Frederick Douglass aufstellen lassen, was so natürlich wie eine reine Alibi-Idee wirkt.

Grundsätzlich gilt für Trump: Wenn es nach ihm geht, dürften gar keine Denkmäler mehr angerührt werden, praktisch alle Figuren im Land sollen stehen bleiben, ganz gleich wie viel Menschenrechtsverstöße die vermeintlichen Helden auf dem Kerbholz haben. Dahinter steckt auch typische Spaltungspolitik à la Trump: Die amerikanische Geschichte ist aus seiner Sicht grundsätzlich gut, wer es wagt, Fragen zu stellen, ist ein Störenfried und vaterlandsloser Geselle.

Welche Denkmäler gibt es?

Damit macht er es sich denkbar einfach. Im Grundsatz muss man in der amerikanischen Denkmaldebatte zwischen mindestens drei Kategorien von Statuen unterscheiden, die alle unterschiedlich zu bewerten sind.

Da sind, erstens, die Gründungsväter der USA wie George Washington oder Thomas Jefferson. Sie sind Nationalhelden, an ihren Denkmälern wollen auch viele Demokraten im Prinzip nicht rütteln. Kritiker, vor allem auf der Linken und in der "Black Lives Matter"-Bewegung, meinen, die Statuen von Washington und Jefferson gehörten entfernt, weil beide im 18. Jahrhundert Sklavenbesitzer waren. In New York wurde eine Washington-Statue mit Farbbeuteln beworfen, was Trump dazu veranlasste, über Twitter Fahndungsfotos der vermeintlichen Täter zu verbreiten. Er glaubt: Wenn es um die Verteidigung des Andenkens von George Washington geht, kann er sich der Unterstützung vieler Amerikaner sicher sein.

Dann sind da, zweitens, die so genannten Konföderierten: Trump spricht gern von der Verteidigung der "großartigen amerikanischen Geschichte". Für ihn schließt das offenkundig die Statuen von Südstaaten-Generälen wie Robert F. Lee oder Thomas "Stonewall" Jackson ein. Bei diesen und anderen Figuren aus der Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs endet der generelle Konsens:

  • Trump verteidigt sie, weil er weiß, dass das bei einigen seiner Wähler in Südstaaten wie South Carolina, Georgia oder Texas gut ankommt.

  • Aus dem gleichen Grund kommt ihm auch keine Kritik an jenen Hardlinern über die Lippen, die im Süden immer noch die Flagge der Konföderierten vor ihren Häusern (oder bei Trump-Kundgebungen) zeigen.

Vielen Amerikanern ist das alles dagegen ein Graus: Sowohl die Statuen als auch die Flagge sind klare Symbole von Sklaverei, Rassismus, Diskriminierung. Die Sprecherin der Demokraten im Kongress, Nancy Pelosi, nennt die Anführer der Konföderierten ausdrücklich "Verräter", deren Statuen nicht länger gezeigt werden dürften.

Die dritte Gruppe sind schließlich besonders komplizierte Fälle: Dazu gehört zum Beispiel Ulysses S. Grant, dessen Statue in San Francisco von Demonstranten niedergerissen wurde. Das erscheint absurd, denn Grant war der führende General der Nordstaaten, der entscheidend dazu beigetragen hat, den Süden im Bürgerkrieg zu besiegen. Mit seinem Heer befreite er Tausende von Sklaven direkt aus der Gefangenschaft. Linke Kritiker werfen Grant jedoch vor, später als Präsident der USA eine unrühmliche Rolle bei der Vertreibung der Indianer gespielt zu haben. Außerdem besaß seine Familie bis zum Bürgerkrieg selbst Sklaven, weil der Vater seiner Frau eine Plantage betrieb.

Die Trumps am Lincoln Memorial in Washington

Die Trumps am Lincoln Memorial in Washington

Foto: Mandel Ngan/ AFP

Wie soll man mit den Statuen dieser und anderer Figuren umgehen? In normalen Zeiten würde man wohl auf die Idee kommen, dass sich Historiker und andere Experten mit diesen Fragen differenziert beschäftigen und anschließend Empfehlungen abgeben, welche Statuen entfernt werden sollten und welche nicht. Vielleicht würde man auch auf die Idee kommen, die Statuen mit erklärenden Schautafeln zu versehen, die den historischen Kontext erklären.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt und von der Redaktion empfohlen wird. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.
Externer Inhalt

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Nicht so bei Trump: Da werden alle Figuren und historischen Zusammenhänge in einen Topf geworfen und munter zu einer populistischen Sauce verrührt. Washington, Lee, Stonewall Jackson, Lincoln, bei ihm erscheinen sie alle plötzlich gleich wichtig – und gleich viel wert, vom Präsidenten verteidigt zu werden.

Trump ist offenkundig davon überzeugt, ein tolles Thema gefunden zu haben, mit dem sich in einer großen patriotischen Bewegung die Massen mobilisieren lassen. Ob sein Kalkül wirklich aufgeht und ihm die Statuenkampagne zusätzliche Stimmen bringt, darf derweil bezweifelt werden.

Mehrheit für Entfernung von Statuen einstiger Südstaaten-Anführer

Viele Amerikaner wollen von ihrem Präsidenten nichts über Statuen wissen, sondern sie wollen erfahren, was er gegen die Coronakrise unternimmt. Auch sonst steht der Trend derzeit gegen ihn: Natürlich gibt es weiter die harten Trump-Unterstützer und auch viel Rassismus.

Doch in mehreren Umfragen gab in den vergangenen Wochen eine überwältigende Mehrheit von 90 Prozent der Amerikaner an, die Diskriminierung der schwarzen Bevölkerung im Land sei ein "Problem". Gut 70 Prozent sehen sie als "ernstes Problem". Eine klare Mehrheit sprach sich zudem für die Entfernung von Statuen von Südstaaten-Anführern aus.

Der Tod von George Floyd und die anschließenden Proteste der "Black Lives Matter"-Bewegung haben im Land möglicherweise mehr Veränderungen und Umdenken ausgelöst, als Trump glaubt. Einige dieser Veränderungen wirken klein, haben aber eine starke Symbolkraft.

Es kommt etwas in Bewegung. So hat der Bundesstaat Mississippi unlängst beschlossen, das Konföderierten-Zeichen aus seiner Flagge zu streichen. Eine Revolution: Viele Jahrzehnte lang hatten sie sich in dem südlichen Bundesstaat energisch dagegen gesträubt.

Die Washington Redskins, ein Footballteam, werden vermutlich schon bald ihren Namen ändern. Auch das wäre ein Wandel: Vertreter der Native Americans kritisieren den Namen schon lange als rassistisch, bislang ohne Erfolg. Ähnliches könnte bei den Cleveland Indians, einem Baseballteam, geschehen.

Die Teams würden die Namensänderungen doch nur aus Gründen "politischer Korrektheit" betreiben, sagt der Präsident dazu. Er meint, er spreche mit solchen Kommentaren für die "schweigende Mehrheit im Land".

Wirklich? Trump hat die letzte Wahl gewonnen, weil er ein gutes Bauchgefühl für einige Themen hatte, die viele Amerikaner bewegen. Vielleicht klappt das wieder. Es ist aber auch gut möglich, dass er die Zeichen der Zeit diesmal völlig falsch liest.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren