Sonderausschuss empfiehlt Anklage wegen Kapitolsturms So geht es im Fall Trump weiter

Der Untersuchungsausschuss des US-Kongresses hat sich dafür ausgesprochen, Ex-Präsident Donald Trump anzuklagen. Wie die nächsten Schritte aussehen könnten – und wie Parteifreunde reagieren. Der Überblick.
Donald Trump

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Andrew Harnik / dpa

Am 6. Januar 2021 drang eine von Ex-US-Präsident Donald Trump aufgestachelte Menge gewaltsam in das Kapitolgebäude ein, in dem gerade der Wahlsieg von Joe Biden beglaubigt werden sollte. Fünf Menschen starben. Eineinhalb Jahre lang hatte sich daraufhin ein Untersuchungsausschuss des US-Kongresses damit beschäftigt, wie es zum Sturm aufs US-Kapitol kommen konnte und welche Rolle Trump dabei spielte. Nun ist das Ergebnis des Gremiums da.

Was hat der Sonderausschuss entschieden?

Der Untersuchungsausschuss hat dem Justizministerium eine strafrechtliche Verfolgung von Trump und mehreren seiner Helfer empfohlen, darunter der frühere New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani und Trumps Stabschef Mark Meadows. Sie sollen zum Ziel gehabt haben, Trump trotz seiner Niederlage bei der Präsidentschaftswahl im Amt zu halten. Trump und seine Helfer sollen

  • versucht haben, das Wahlergebnis zu manipulieren,

  • geplant haben, einen loyalen Gefolgsmann hoch oben im Justizministerium zu installieren,

  • Wahlunterlagen gefälscht haben,

  • und den Mob zum Kapitolsturm aufgewiegelt haben (lesen Sie hier mehr  zu den Vorwürfen)

An diesem Mittwoch will der Ausschuss seinen Abschlussbericht veröffentlichen. Die Entscheidung hat zunächst einmal symbolischen Charakter: Noch nie hat der US-Kongress zu einem Strafverfahren gegen einen ehemaligen Präsidenten aufgerufen. Noch nie stand ein ehemaliger US-Präsident in seinem Land vor Gericht.

Wie geht es nun weiter?

Rechtlich ist die Entscheidung nicht bindend. Das Justizministerium um den Minister Merrick Garland entscheidet eigenständig für oder gegen eine Anklage Trumps. Allerdings hat der Untersuchungsausschuss in 18 Monaten allerhand Zeugenaussagen und Beweise zusammengetragen, auf die sich die Entscheidung stützt. Und die könnten dem neuen Sonderermittler Jack Smith und seinem Team bei ihren Untersuchungen nutzen. Dabei geht es im Wesentlichen um zwei Punkte:

  • Zum einen um den Sturm auf das US-Kapitol. Smith und seine Leute untersuchen, inwiefern Trump strafrechtlich dafür belangt werden könnte.

  • Zum anderen um Hunderte Regierungsdokumente, die Trump nach seinem Ausscheiden aus dem Präsidentenamt mutmaßlich illegal in seine Residenz Mar-a-Lago mitgenommen haben soll.

Justizminister Garland hatte Smith selbst als Sonderermittler eingesetzt, wohl auch, weil Smith kein politischer Beamter ist und deshalb als besonders unparteiisch gilt (lesen Sie hier mehr  zu dem Juristen). Smith hat nicht nur Zugang zu den Erkenntnissen des Untersuchungsausschusses, sondern auch den Vorarbeiten des FBI und der bisher zuständigen Staatsanwälte. Es wird daher spekuliert, dass Smith seine Arbeit innerhalb weniger Monate abschließen könnte.

Welche Anklagepunkte könnten Trump erwarten?

Noch ist unklar, welche Anklagepunkte Sonderermittler Smith aufrufen könnte, falls er sich überhaupt für eine Anklage Trumps entscheidet. Die Abgeordneten des Untersuchungsausschusses – sieben Demokraten und zwei Republikaner – werfen Trump unter anderem Anstiftung oder Beihilfe zum Aufstand, Behinderung eines offiziellen Vorgangs und Verschwörung gegen die US-Regierung vor.

DER SPIEGEL

Laut der »New York Times « haben Staatsanwälte den Vorwurf der Behinderung eines offiziellen Vorgangs schon in fast 300 Verfahren im Zusammenhang mit dem Kapitolsturm angewendet. Sie werfen den Kapitolstürmern vor, die Beglaubigung von Bidens Wahlsieg im Kapitol gestört zu haben. Ob der Vorwurf bei dem Mob angewendet werden kann, ist rechtlich umstritten. Laut »New York Times« sieht der Untersuchungsausschuss aber Anhaltspunkte dafür, dass Trump nach diesem Gesetz belangt werden könnte.

Der Vorwurf der Verschwörung gegen die US-Regierung wird laut der Zeitung bislang vor allem in Fällen gegen Rechtsextremisten oder andere Kapitolstürmer angeführt, die den Angriff zuvor geplant haben sollen. Auch in diesem Punkt könnte Trump angeklagt werden, heißt es – der Ausschuss sei der Ansicht, dass Trump die Öffentlichkeit getäuscht habe. So habe er fälschlicherweise und trotz anderslautender Informationen seiner Berater behauptet, die Wahl sei manipuliert worden. Er habe mit anderen an einem »mehrteiligen Plan« gearbeitet, um an der Macht zu bleiben.

Der schwerwiegendste Anklagepunkt wäre laut »New York Times« auch der, der am schwersten zu beweisen ist: Anstiftung oder Beihilfe zum Aufstand. Bislang habe es im Kontext des Kapitolsturms eine einzige Verurteilung zu einem ähnlichen Straftatbestand, der »aufrührerischen Verschwörung« gegeben.

Ein Bundesrichter in Washington habe in einem Urteil von Februar aber den Weg für eine Anklage Trumps auf dieser Grundlage geebnet, schreibt die »New York Times«. Demnach sei es laut dem Richter möglich, dass Trump bestimmten Kapitolstürmern Beihilfe geleistet haben könne, unter anderem dadurch, dass er lange wartete, bis er dem Rat von Beratern folgte und die Randalierer zur Ruhe aufrief.

Was droht Trump im Falle einer Anklage?

Anstiftung oder Beihilfe zum Aufstand kann nicht nur mit einer Geldstrafe, sondern auch mit einer Haftstrafe von bis zu zehn Jahren geahndet werden. Sollte Trump wegen Aufruhrs verurteilt werden, dürfte er kein politisches Amt mehr ausüben – dabei will Trump versuchen, 2024 erneut Präsident zu werden. In der Realität könnte sich ein juristisches Verfahren gegen Trump jedoch so lange ziehen, dass es einer neuen Präsidentschaft Trumps nicht unbedingt im Weg stehen würde.

»Wahrscheinlich gäbe es bereits vor einem Prozess umfangreiche vorgerichtliche Streitigkeiten«, mutmaßt das Magazin »New York «, »einschließlich möglicher Einsprüche, die bis zum Obersten Gerichtshof gehen könnten«. Selbst wenn Trump Anfang 2023 angeklagt und als Präsidentschaftskandidat für die Republikaner bestätigt würde, sei es unwahrscheinlich, dass er vor den Wahlen im November 2024 »in einem Bundesgefängnis sitzen würde«.

Wie reagieren Parteifreunde?

Trumps einstiger Vizepräsident Mike Pence lehnt eine Anklage gegen Trump ab. »Das würde unheimlich spalten in einem Land und zu einer Zeit, wenn das amerikanische Volk sehen will, dass wir heilen«, sagte Pence in einem Interview mit dem konservativen Nachrichtensender »Fox News«. Dabei sollen einige Randalierer laut dem Bericht des Sonderausschusses »hängt Mike Pence« gerufen haben. Pence selbst soll zu einem Zeitpunkt nur wenige Meter vom Mob entfernt gewesen sein.

Einige Republikaner sagten der »New York Times« anonym, dass sie befürchten, dass sich Parteifreunde von Trump nun hinter dem Ex-Präsidenten versammeln könnten. Andere Republikaner sähen das skeptischer: »Ich glaube nicht, dass Donald Trump noch gerettet werden kann«, zitiert die »New York Times« den ehemaligen Abgeordneten Carlos Curbelo aus Florida. Trump sei »eindeutig auf dem Weg in die Irrelevanz.« Trump halte an seinen Beschwerden über Bidens Wahl fest – laut »New York Times« interessiere das Thema viele Wählerinnen und Wähler aber nicht mehr.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes wurde das Magazin »New York« als »New Yorker« bezeichnet. Wir haben die Stelle korrigiert.

kko/dpa
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