Gescheiterte Regierungsbildung Macron wirft Libanons Politikern "kollektiven Verrat" vor

Frankreich sagt dem Libanon Hilfe in der Krise zu, will dafür aber Reformen sehen. Doch die Regierungsbildung ist gescheitert. Emmanuel Macron spricht von einer "letzten Chance" für das Land.
Emmanuel Macron: "Ich sage dem libanesischen Volk, dass Frankreich es nicht im Stich lassen wird"

Emmanuel Macron: "Ich sage dem libanesischen Volk, dass Frankreich es nicht im Stich lassen wird"

Foto: POOL / REUTERS

In der schweren Krise des Libanons sicherte Frankreich dem Land Hilfe zu - wenn es politische Reformen gibt. Die scheinen nach der am Samstag vorerst gescheiterten Regierungsbildung aber weiter aufgeschoben zu werden. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gefällt das gar nicht, er hat der politischen Führung des Libanons nun schwere Vorwürfe gemacht.

Mit dem Scheitern der Regierungsbildung hätten die libanesischen Politiker ihre nach der Explosionskatastrophe im Hafen von Beirut geleisteten Versprechen gebrochen und "kollektiven Verrat" begangen, sagte Macron am Sonntag in Paris: "Ich stelle fest, dass die libanesischen Behörden und politischen Kräfte beschlossen haben, ihre parteiischen und individuellen Interessen über das allgemeine Interesse des Landes zu stellen."

Der Anfang September in Beirut vereinbarte Plan gelte aber weiterhin und sei nicht vom Tisch, so Macron. Es gebe nun noch eine "letzte Chance" für eine Regierungsbildung. Wie abgesprochen solle es bis Ende Oktober zusammen mit den Vereinten Nationen und den internationalen Partnern eine neue Konferenz geben, um die internationale Hilfe für Beirut zu mobilisieren. Macron sagte außerdem, Frankreich stehe an der Seite des Libanon. "Ich sage dem libanesischen Volk, dass Frankreich es nicht im Stich lassen wird."

Macron spricht noch nicht von Sanktionen

Auf die Frage einer Journalistin weigerte sich Macron, Sanktionen ins Spiel zu bringen - schloss diese als Option aber auch nicht vollkommen aus. Libanons designierter Premierminister Mustapha Adib sei ein aufrichtiger und respektabler Mann, der unter schwierigen Bedingungen getan habe, was er konnte, so Macron. Die politischen Gruppen hätten es unmöglich gemacht, eine Übergangsregierung zu bilden.

Macron prangerte das "System der Korruption" an, an dem alle festhalten wollten, die bisher davon profitiert hätten. "Heute sind ein paar Dutzend Menschen dabei, ein Land zu Fall zu bringen", sagte Macron. Auch an die von Iran unterstützte Hisbollah richtete sich seine Kritik: Die Hisbollah solle "nicht denken, sie sei mächtiger als sie ist", sagte Macron. In den vergangenen Tagen habe die schiitische Gruppe gezeigt, dass sie nicht alle Libanesen gleich respektiere.

Die libanesische Regierung unter Hassan Diab hatte nach der Explosionskatastrophe am 4. August mit mehr als 190 Toten und rund 6000 Verletzten ihren Rücktritt erklärt. Präsident Michel Aoun beauftragte danach den 48 Jahre alten Adib mit der Regierungsbildung. Der Versuch scheiterte. Frankreich hatte dem Land, das sich in einer schweren Wirtschafts- und Finanzkrise befindet, dringend benötigte Hilfe in Aussicht gestellt, im Gegenzug aber weitreichende Reformen gefordert.

ptz/dpa/Reuters
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