Fotos aus dem Katastrophengebiet Unter Tonnen von Schutt

Die Katastrophe traf die Menschen im Schlaf. In der Nacht auf Montag erschütterte ein Erdbeben der Stärke 7.8 den Süden der Türkei und den Norden Syriens. Wer es noch schaffte, rettete sich aus seinen Häusern. Viele schafften es nicht.

Schwere Verwüstungen werden unter anderem aus den türkischen Städten Adana und Gaziantep gemeldet. Aus Kahramanmaraş gibt es Bilder zahlreicher zerstörter Mehrfamilienhäuser. Auch in der Millionenstadt Gaziantep – sie lag besonders nah am Zentrum des Bebens – sind offenbar ganze Häuserreihen eingestürzt. Im syrischen Aleppo und in Hama gab es ebenfalls schwere Verwüstungen.

Etwa 72 Stunden kann ein Mensch ohne Wasser überleben. So lange hofft man, noch Opfer aus den Trümmern retten zu können und nicht bloß ihre Leichen zu bergen. Am Dienstagmorgen lag die Zahl der Getöteten bei 4800, 8000 Menschen wurden gerettet. Gerade in den Rebellengebieten Syriens fehlt aber oft die Infrastruktur.

Allein in der Türkei sind mehr als 13 Millionen Menschen nach Einschätzung der Regierung von der Erdbebenkatastrophe betroffen. »Dieses Erdbeben hat 13,5 Millionen unserer Bürger direkt betroffen«, sagte Städteminister Murat Kurum am Dienstag. Die Rettungsarbeiten gingen weiter. Manche Straßen und Wege seien nicht zugänglich, man arbeite daran, sie wieder passierbar zu machen. In manchen Regionen gebe es kein Wasser, man bemühe sich, Schäden so schnell wie möglich zu beseitigen und die Menschen mit Wasser zu versorgen. Auch in Syrien, wie hier, ist das Ausmaß der Zerstörung verheerend.

Im Katastrophengebiet herrschen Temperaturen um den Gefrierpunkt. Tausende Menschen sind nach Angaben von Hilfsorganisationen obdachlos geworden. Viele Menschen können nicht in ihre Häuser zurück, weil diese eingestürzt sind oder eine Rückkehr angesichts der zahlreichen Nachbeben zu gefährlich wäre.

Syrien hat die internationale Gemeinschaft um Hilfe gebeten. Unklar war zuletzt, ob auch Israel Hilfskräfte schickt. Die beiden Staaten befinden sich offiziell im Krieg.

In Syrien traf das Erdbeben einen maroden Staat. Aleppo wurde in den vergangenen Jahren bereits zu großen Teilen im Krieg zerstört, nun raubte das Erdbeben weiteren Menschen ihr Zuhause und ihre Angehörigen.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Türkei von einem verheerenden Erdbeben heimgesucht wird. Am 17. August 1999 erschütterte ein Beben der Stärke 7,5 die dicht besiedelte Region um İzmit, rund 100 Kilometer von Istanbul entfernt. Um die 18.000 Menschen starben, etwa 250.000 verloren ihr Zuhause. 2011 starben bei einer Katastrophe in Van rund 600 Menschen.
Und dennoch traf das Beben das Land weitgehend unvorbereitet.

In der Türkei existieren zwei lang gestreckte kontinentale Erdbebenzonen: die Nordanatolische und die Ostanatolische Verwerfung. »Es war eine Frage der Zeit, dass so etwas passiert«, sagt der Forscher am Deutschen GeoForschungsZentrum, Marco Bohnhoff, im Gespräch mit dem SPIEGEL. »Eine Reihe von großen Beben war überfällig. Eines davon ist jetzt aufgetreten.«

Ein drohender Schneesturm könnte die Situation in den Erdbebengebieten nach Einschätzung der Hilfsorganisation Care noch deutlich verschärfen. Viele Straßen seien nicht passierbar. Freiwillige legen Matratzen in Turnhallen aus, damit die Menschen ein Dach über dem Kopf haben.

Die Welt macht sich auf den Weg. Viele Staaten senden Geld oder hier wie Pakistan direkt Menschen zur Hilfe vor Ort.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte Hilfe aus Deutschland zu. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte an, dass das Technische Hilfswerk (THW) die Lieferung von Notstromaggregaten, Zelten und Decken vorbereite.

Feuerwehrleute aus Serbien haben Personenspürhunde dabei. Bei der Suche nach Verschütteten zählt jede Minute.

Schon jetzt ist das Ausmaß der Zerstörung unfassbar, wie hier in Syrien. Doch es ist noch nicht vorbei. Mehrere Nachbeben erschütterten die Region, zuletzt kam es am frühen Dienstagmorgen im Zentrum der Türkei zu einem neuen Erdbeben. Nach Angaben der europäischen Erdbebenwarte EMSC hatte es eine Stärke von 5,6, das Epizentrum lag erneut in der bereits zuvor betroffenen Region. Über mögliche Opfer oder Schäden ist bisher noch nichts bekannt.