Streit mit Kommission EU-Parlamentspräsident drängt auf Nutzung des Rechtsstaatsmechanismus

EU-Parlamentspräsident David Sassoli
Foto: Patrick Seeger/ EPA-EFE/ REXDas EU-Parlament erhöht im Streit über die Durchsetzung rechtsstaatlicher Standards den Druck auf die Kommission. Mit einem Brief hat Parlamentspräsident David Sassoli nun ein Untätigkeitsverfahren gegen die EU-Kommission eingeleitet. Das Schreiben liegt dem SPIEGEL vor.
Sassoli verweist darin auf einen fraktionsübergreifenden Entschließungsantrag des EU-Parlaments. Aus seiner Sicht gilt die Verordnung für die sogenannte Konditionalitätsregelung bereits seit dem 1. Januar 2021. Deshalb fordert er die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf, den Rechtsstaatsmechanismus sofort anzuwenden.
Die Regelung sieht vor, dass EU-Ländern Mittel aus dem Gemeinschaftshaushalt gekürzt werden können, wenn wegen Rechtsstaatsverstößen ein Missbrauch der Gelder droht. Diese Gefahr sieht Sassoli offenkundig als gegeben an. Einige Mitgliedstaaten verstießen deutlich gegen die EU-Regeln, heißt es in seinem Schreiben. Das EU-Parlament bedauere, dass die Kommission noch keine Mitteilungen an die jeweiligen Länder geschickt habe. Die Situation verschlimmere sich immer weiter.
Konkret geht es vor allem um Polen und Ungarn. Sie hatten im vergangenen Jahr ihre Blockade wichtiger EU-Haushaltsentscheidungen aufgegeben. Damals einigten sich Staats- und Regierungschefs darauf, dass die EU-Kommission erst dann Verstöße gegen den Rechtsstaatsmechanismus ahndet, wenn der Europäische Gerichtshof über eine Klage beider Länder gegen die Klausel entschieden hat. Das dauert dem EU-Parlament zu lange.
Sowohl Ungarn als auch Polen wird seit Langem vorgeworfen, ihren Einfluss auf die Justiz in unzulässiger Weise auszubauen. Zudem werden Einschränkungen der Medienfreiheit und zu wenig Schutz von Minderheiten bemängelt. Ungarns Premier Viktor Orbán etwa steht wegen eines Anti-LGBTQ-Gesetzes massiv in der Kritik.
Möglicherweise muss der Europäische Gerichtshof entscheiden
»Das Europaparlament versteht keinen Spaß mehr«, sagte der FDP-Abgeordnete Moritz Körner. »Die Uefa mag Autokraten hofieren«, so Körner mit Blick auf die Entscheidung des Fußballverbands, die Regenbogenbeleuchtung der Münchner Arena beim EM-Spiel Ungarn gegen Deutschland zu verbieten. »Aber die EU muss endlich Grenzen aufzeigen.«
Sollte die Kommission innerhalb von zwei Monaten nicht zufriedenstellend reagieren, will das Parlament offiziell Klage vor dem Europäischen Gerichtshof einreichen. Dieser müsste dann entscheiden, ob die Kommission handeln muss – oder ob sie sich an den Beschluss der Staats- und Regierungschefs halten kann.