Korruptionsvorwürfe Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments abgesetzt

EU-Abgeordnete Eva Kaili
Foto: Eric Vidal / AFPDie wegen Korruptionsvorwürfen festgenommene EU-Abgeordnete Eva Kaili ist als Vizeparlamentspräsidentin des Europäischen Parlaments suspendiert worden. Parlamentspräsidentin Roberta Metsola entzog der 44-Jährigen »mit sofortiger Wirkung alle Befugnisse, Pflichten und Aufgaben« als ihre Stellvertreterin, wie eine Sprecherin Metsolas am Samstagabend mitteilte.
Die Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit dem Gastgeberland der Fußball-WM, Katar, haben das EU-Parlament erschüttert – und Rufe nach politischen Konsequenzen laut werden lassen. Die belgische Polizei nahm wegen des Verdachts der »bandenmäßigen Korruption und Geldwäsche« Kaili und vier weitere Politiker fest. Der Skandal dreht sich um den Verdacht, dass Katar mit beträchtlichen Geldsummen und Geschenken versuchte, die Entscheidungen des Europa-Parlaments zu beeinflussen.
Die Griechin Kaili wurde dabei in ihrer Wohnung festgenommen. Einem Bericht der Zeitung »L’Echo« zufolge wurden sie und ihr Vater »in flagranti« erwischt. Der Vater sei mit einem »Koffer voller Geldscheine« ertappt worden, als er versucht habe, zu fliehen. Bei einer Durchsuchung des Privathauses der Politikerin seien dann »mehrere weitere, mit Geldscheinen gefüllte Taschen« gefunden worden. Parlamentarische Immunität schützt nicht, wenn ein dringender Tatverdacht und Verdunkelungsgefahr vorliegen. Ein Haftrichter muss binnen zwei Tagen darüber entscheiden, ob sie in Untersuchungshaft bleibt. Kailis Partei Pasok schloss sie am Freitag aus, ihre Mitgliedschaft in der Fraktion ruht seither.
Auch vier Italiener wurden festgenommen, darunter Kailis Lebensgefährte Francesco Giorgi, der parlamentarischer Mitarbeiter der sozialdemokratischen Fraktion im Europa-Parlament ist.
Die deutsche Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Nicola Beer, zeigte sich schockiert über die aktuellen Korruptionsvorwürfe. »Das macht mich fassungslos«, sagte die FDP-Politikerin. »Es ist völlig klar, dass das insgesamt negative Auswirkungen auf das Parlament hat.«
Kaili und Beer sind zwei von insgesamt 14 Vizepräsidentinnen und -präsidenten des EU-Parlaments.
Säcke voller Geldscheine
EU-Vizeparlamentspräsidentin Katarina Barley (SPD) hatte Kaili zuvor zum Rücktritt aufgefordert. »Staatsanwaltliche Ermittlungen sind immer so der Punkt, wo man sagt, da kann man als Politiker, als Politikerin auch eine Institution nicht mehr repräsentieren«, sagte Barley am Abend in der ARD. »Wir tolerieren keine Korruption. Korruption ist Gift für die Demokratie«, so Barley. Eigentlich habe das Parlament strenge Regeln für die Arbeit von Lobbyisten, strengere als die meisten nationalen Parlamente. »Aber wenn wirklich kriminelle Energie im Spiel ist, dann hilft eben auch kein Verhaltenskodex und keine Offenlegungspflicht. Dann kann man nur mit den Mitteln des Strafrechts ran«. Barley und Kaili gehören beide der sozialdemokratischen Fraktion im Europa-Parlament an.
Festgenommen wurden zudem der ehemalige sozialdemokratische Europaabgeordnete und heutige Chef der Nichtregierungsorganisation Fight Impunity, Pier Antonio Panzeri, sowie der Generalsekretär des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB), Luca Visentini. Aus Kreisen der italienischen Regierung wurden der Nachrichtenagentur AFP in Rom zudem zwei weitere Festnahmen bestätigt: Betroffen sind die Ehefrau und die Tochter Panzeris.
Bei den Razzien beschlagnahmte die Polizei laut belgischer Bundesstaatsanwaltschaft Bargeld in Höhe von rund 600.000 Euro sowie Datenträger und Mobiltelefone, die nun ausgewertet würden. Die fünf Beschuldigten wurden nach Angaben eines Sprechers der Ermittlungsbehörde in Brüssel weiter vernommen.
Deutsche Europaabgeordnete empört
Zu dem in den Korruptionsfall involvierten Land teilte die Staatsanwaltschaft mit, dass es sich um einen »Golfstaat« handele. Dieser stehe im Verdacht, »wirtschaftliche und politische Entscheidungen des Europäischen Parlaments zu beeinflussen«, indem er »beträchtliche Geldsummen zahlt oder erhebliche Geschenke verschenkt«.
Mit den Ermittlungen vertraute Kreisen bestätigten AFP Medienberichte, wonach es sich bei dem Golfstaat um Katar handele. Ein katarischer Regierungsbeamter sagte auf AFP-Anfrage, seinem Land seien »keine Details über eine Untersuchung bekannt«. Jegliche »Behauptung eines Fehlverhaltens des Staates Katar« sei unzutreffend.
Deutsche Europaabgeordnete äußerten sich empört über die Vorgänge. Er sei »fassungslos, dass sich offenbar führende Mitglieder des Europäischen Parlaments gegen hohe Geldsummen haben kaufen lassen, um politisch für Staaten zu werben, die Menschen- und Arbeitsschutzrechte mit Füßen treten«, erklärte der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke.
Auch Kailis eigene Partei hatte Kaili zum Rückzug aus dem Europa-Parlament aufgefordert. Ein Mitglied der Sozialistischen Partei Griechenlands sagte, in der Partei werde »Druck ausgeübt, damit Frau Kaili ihren Parlamentssitz abgibt«.
Kailis bezeichnete Katar als »führend bei den Arbeitsrechten«
Die ehemalige Fernsehmoderatorin Kaili hatte am 22. November im EU-Parlament gesagt, die Fußballweltmeisterschaft in Katar sei »ein konkreter Beweis dafür, wie Sportdiplomatie zu einer historischen Transformation eines Landes führen kann, dessen Reformen die arabische Welt inspiriert haben«. Katar sei »führend bei den Arbeitsrechten«.
Kurz vor der Rede hatte sich Kaili in Katar mit dem katarischen Arbeitsminister Ali bin Samikh Al Marri getroffen. Die WM bezeichnete sie in einer Videobotschaft als »großartiges Instrument für politische Veränderungen und Reformen«.