Interview mit Ex-Nato General Domröse
Russland hat die Ukraine angegriffen, Kiew meldet erste getötete Soldaten und Zivilisten. Nun reagiert die Nato: Der Oberbefehlshaber der Bündnis-Streitkräfte soll weitreichende Befugnisse bekommen. Was will Wladimir Putin? Wie geht es weiter? Was kann die Nato jetzt tun? Wir haben mit dem ehemaligen Nato-General Hans-Lothar Domröse gesprochen.
Hans-Lothar Domröse, Ehemaliger Nato-General
»Die NATO wird beobachten. Die Ukraine, um es nochmal klar zu sagen, ist ja nicht NATO- Territorium. Präsident Biden und alle anderen Regierungschefs haben gesagt, wir greifen da militärisch nicht ein. Der militärische Teil ist klar: Die Ukraine ist auf sich allein gestellt. Wenn ich das ergänzen darf: Kein Mensch, keine Nation kann allein gegen eine Weltmacht erfolgreich kämpfen.«
»Polen ist jetzt direkt dran. Die Flugplätze in der Nähe von Lemberg an der polnischen Grenze, da werden wir die Verteidigung aufbauen, an der Südflanke genauso wie im Baltikum. Ich höre aus der Presse, dass Deutschland dort oben in Litauen verstärkt, richtigerweise. Wir werden, ich sage immer noch »wir«, entschuldigen Sie, wir werden die Alarmstufe hochfahren. Wer auf 7 Tage Bereitschaft stand, der steht jetzt auf zwei Tagen. wer auf fünf Tage stand, steht bei null. Die Flugzeuge sind in der Luft und werden ihre Standorte hier und da verlassen haben, und man wird Vorsichtsmaßnahmen eingegeben haben, um nicht geköpft zu werden. Das darf nicht passieren. Man darf nicht in der Baracke abgeschlachtet werden.«
»Aber wir haben gute Soldaten, wir haben mehr trainierte Soldaten, wir sind ready für die Verteidigung. wenn die Resilienz stimmt, wenn wir das wollen. Das denke ich. Und wir haben Lücken. Und diese Lücken müssen wir schnell schließen, wenn das geht. So ein Panzer steht ja nicht wie ein Polo im Schaufenster, wo sie sagen, packen Sie mir den ein, den Roten.«
»Wir sehen eine Streitmacht, die in allen Domänen überlegen ist und eingesetzt wird. In allen Domänen heißt Cyber, Luftstreitkräfte, Seestreitkräfte, Landungsplätze, die Panzer rollen. Das heißt, von allen Dimensionen und von allen Richtungen kommt er. Von Transnistrien über die Krim ringsherum bis Belarus, womöglich mit belarussischen Kräften, und marschiert vor. Es ist fürchterlich. Er will mehr als den Donbass. Er will mehr als Schutz, sogenannten Schutz für die Volksrepubliken. Er will die gesamte Ukraine, das hat er mehrfach gesagt. Er spricht der Ukraine das Souveränitätsrecht ab. Er betrachtet die Ukraine als einen Spielball, als ihm gehörig. Ein Land, was er entnazifiziert und entwaffnen will. Mir stehen die Haare senkrecht.
»Oder seine schriftliche Forderung an die NATO: Ich will zurück zu 1997. Das heißt im Grunde, zurück zu Ostdeutschland. Ostdeutschland ist 97er Gebiet und das will er offensichtlich zurückhaben. Von daher wissen wir jetzt, was er will. Bis jetzt haben wir immer überlegt, was er will. Wir haben überlegt, geht er in Donezk rein oder will er den Donbass? Nein, er will die ganze Ukraine, hat er jetzt ja gesagt. Und so macht er das auch militärisch zurzeit. Und ich kann nur hoffen, dass die ukrainische Armee smart ist und taff genug, um Widerstand zu leisten. Ich hoffe nicht, dass wir ein Afghanistan-Szenario erleben, wo innerhalb 48 Stunden Schluss ist.«