Ukrainische Geflüchtete in Europa Hilfsorganisation warnt vor Zunahme von Menschenhandel und Gewalt

Geflüchtete Ukrainerin in einer Notunterkunft in Moldau
Foto: DUMITRU DORU / EPA-EFE
In Reportagen, Analysen, Fotos, Videos und Podcasts berichten wir weltweit über soziale Ungerechtigkeiten, gesellschaftliche Entwicklungen und vielversprechende Ansätze für die Lösung globaler Probleme.
Die Hilfsorganisation World Vision warnt vor steigenden Feindseligkeiten gegenüber geflüchteten Menschen aus der Ukraine. Man beobachte mit Sorge, wie Spannungen und Desinformationskampagnen in verschiedenen Ländern zunähmen, so die Organisation in einem Bericht, der bisherige Entwicklungen bilanziert.
So gebe es Falschmeldungen, in denen Ukrainer mit Gewaltverbrechen oder Extremismus in Verbindung gebracht würden. Andere Berichte schürten gezielt Vorurteile und die Angst mancher Einheimischer, gegenüber den Neuankommenden benachteiligt zu werden.

Ukrainische Geflüchtete in Chisinau, Moldau, erhalten Lebensmittelspenden und Hilfsgüter
Foto: DUMITRU DORU / EPA-EFESeit Beginn des russischen Angriffskrieges am 24. Februar haben etwa 8,8 Millionen Menschen die Ukraine verlassen, vor allem Frauen, Kinder und ältere Menschen. Ein Großteil der Geflüchteten fand Aufnahme in direkten Nachbarländern wie Polen, Moldau oder Rumänien.
»In ganz Mittel- und Osteuropa werden bereits Botschaften verbreitet, die flüchtlingsfeindliche Spannungen schüren könnten«, heißt es in dem Word-Vision-Bericht . »Auch wenn dies noch kein großes Problem darstellt, beginnen sich in einigen Aufnahmeländern Spannungen zu entwickeln.«
Die Autoren des Berichts schlussfolgern aus dieser Entwicklung, dass in den kommenden Monaten ukrainische Geflüchtete akut bedroht sein könnten, insbesondere Kinder. Mögliche Auswirkungen seien verbale und körperliche Übergriffe, aber auch eine Zunahme des Menschenhandels. Der Vergleich mit anderen Flüchtlingsbewegungen zeige, dass eine Zuspitzung nur durch aktives Entgegentreten gestoppt werden könne.

Ukrainerinnen und Ukrainer kommen am Bahnhof von Prag an
Foto: Ondrej Deml / CTK Photo / IMAGO»Die internationale Gemeinschaft muss jetzt handeln, um zu verhindern, dass sich die Situation auf ein gefährliches Niveau wie im Libanon und in Bangladesch zuspitzt«, heißt es in dem Bericht weiter. Trotz der offensichtlichen Unterschiede zeigten die Erfahrungen der Vergangenheit, dass Konflikte im ersten Jahr nach Ankunft der Geflüchteten rasant zunähmen.
»Es gibt keine offensichtlichen Gründe, warum Länder wie Moldau und Rumänien davon ausgenommen sein sollten«, sagte Charles Lawley, Hauptautor des Berichts und leitender Berater bei World Vision, gegenüber dem »Guardian« . »Wenn man bedenkt, wie sich die globale Lebenshaltungskostenkrise auf alle auswirkt, müssen wir davon ausgehen, dass es bald zu Spannungen kommt, wenn nicht gehandelt wird.«
Besonders Moldau ist seit dem Ausbruch des Krieges in der benachbarten Ukraine stark unter Druck. Das ärmste Land Europas hat etwa 100.000 Geflüchtete aufgenommen, so viele wie kein anderes in Europa pro Kopf. Das entspricht etwa fünf Prozent der Bevölkerung – in einem Land, in dem die Inflation bei 27 Prozent liegt und in dem die Gasabhängigkeit von Russland und Belarus zu einer Treibstoffkrise geführt hat.
Um weitere Konflikte zu vermeiden, empfiehlt der Bericht, Vorurteile gezielt anzusprechen und Barrieren für die Integration abzubauen. Als Beispiel dafür wird Polen erwähnt. »Wenn Geflüchtete in der Lage sind, sich niederzulassen, Arbeit aufzunehmen, Zugang zu Gesundheitsfürsorge und Bildung zu erhalten und eigene Unternehmen zu gründen, dann hat das einen erheblichen positiven Einfluss auf den sozialen Zusammenhalt.«
Dieser Beitrag gehört zum Projekt Globale Gesellschaft
Unter dem Titel »Globale Gesellschaft« berichten Reporterinnen und Reporter aus Asien, Afrika, Lateinamerika und Europa – über Ungerechtigkeiten in einer globalisierten Welt, gesellschaftspolitische Herausforderungen und nachhaltige Entwicklung. Die Reportagen, Analysen, Fotostrecken, Videos und Podcasts erscheinen in einer eigenen Sektion im Auslandsressort des SPIEGEL. Das Projekt ist langfristig angelegt und wird von der Bill & Melinda Gates Foundation (BMGF) unterstützt.
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