DER SPIEGEL

Flüchtlingscamp auf Lesbos "Hier besteht jede Art von Gefahr"

Luxemburg hat zwölf Kinder aufgenommen, etwa fünfzig sollen am Samstag in Deutschland landen. Im griechischen Flüchtlingscamp Moria warten immer noch Hunderte Kinder und Jugendliche darauf rauszukommen.
Ein Video von Carolin Katschak und Jonathan Miske (Animationen)

Malalay Alizade, aus Afghanistan, 16 Jahre 

"Moria ist kein guter Ort, besonders nicht für Kinder. Es wäre sehr gut, wenn sie die Kinder von hier wegbringen." 

 

Endlich raus aus Moria - dem größten Flüchtlingscamp Europas. Für viele Flüchtlingskinder ist das immer noch unvorstellbar. Etliche von ihnen leben schon länger als ein Jahr in dem völlig überfüllten Camp.  

So wie Malalay Alizade. Sie kam mit ihrer Schwester und ihrem Schwager vor 14 Monaten aus Afghanistan hierher.  

 

Malalay Alizade, 16 Jahre, aus Afghanistan  

"In Moria fühle ich mich nicht sicher. Besonders in den Nächten gibt es immer Kämpfe. Unter den Geflüchteten gibt es Diebe, jede Art von Gefahr besteht. Ich fühle mich überhaupt nicht sicher. " 

 

Mindestens 7000 Kinder und Jugendliche leben derzeit in Moria, 900 davon sind unbegleitete Minderjährige, also Kinder, die allein und ohne Eltern im Camp leben. In einem Camp, dessen offizieller, innerer Teil für knapp 2.200 Menschen ausgelegt ist. Insgesamt leben darin und rundherum 20.000 Menschen, nicht alle haben Zugang zu fließendem Wasser und Strom. Die Corona-Pandemie schafft eine durchaus lebensgefährliche Situation. Abstandhalten und regelmäßiges Händewaschen sind so gut wie unmöglich.  Besonders die Kleinsten leiden unter den Lebensumständen. 

 

Shahab, 15 Jahre, aus Afghanistan  

"Wir bekommen nicht ausreichend zu Essen und zu Trinken. Wir leben hier im Zelt, an einem schlechten Ort. Das Essen was wir bekommen ist oft nicht durchgekocht."   

 

Shahab kam vor drei Monaten allein aus Afghanistan nach Griechenland. Der 15-Jährige lebt im Außenbereich, im sogenannten Dschungel von Moria. Wie viele andere Kinder, hofft auch er auf eine Zukunft in einem anderen EU-Staat. 

 

Shahab, 15 Jahre, aus Afghanistan  

"Aus Afghanistan betrachtet, bietet die Europäische Union ein sichereres Leben als Afghanistan. In Afghanistan herrscht Krieg. Wir sind hierher gekommen für ein gutes Leben. Ich erwarte von den Politikern Europas, dass sie diese Camps schließen und die Grenzen öffnen. Dass sie die Menschen hier in Europa aufnehmen." 

 

Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR leben auf den Inseln Lesbos , Samos und Kos mehr als 4.400 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Schon vor gut einem Monat hatten sich mehrere EU-Staaten bereit erklärt, insgesamt 1.600 Kinder und Jugendliche aus den überfüllten Flüchtlingslagern aufzunehmen. Doch wegen der Coronakrise verzögerte sich das Vorhaben. Neben Deutschland gehören zu der Allianz der Willigen: Luxemburg, Belgien, Bulgarien, Frankreich, Kroatien, Finnland, Irland, Portugal und Litauen sowie die Schweiz.  

 

Die Syrerin Sham al Hussain lebt seit fünf Monaten mit ihren drei Töchtern im Camp. Ihr 10-jähriger Sohn ist bereits in Deutschland.  

 

Sham Al Hussain, 35 Jahre, aus Syrien  

"Natürlich sind wir dankbar, wenn die Europäische Union die Kinder hier rausholt. Die Situation ist sehr schwierig. Ich hoffe, dass es wirklich passiert, die Kinder verdienen es, hier rausgeholt zu werden, die Situation hier ist dramatisch. Sie haben Jahre in der Schule verloren. Wir freuen uns darüber, denn hier ist es die Hölle. Sehen Sie sich die Kinder an. Sie spielen neben Toiletten, im Dreck. Wir hoffen, dass sie die Kinder an einen sicheren Ort bringen werden." 

 

Die ersten unbegleiteten Minderjährigen konnten Moria Anfang der Woche verlassen. Insgesamt 12 Kinder aus den Flüchtlingslagern Lesbos, Chios und Samos wurden nach Luxemburg gebracht. Am Samstag sollen weitere 58 Kinder und Jugendliche in Deutschland ankommen. Nach ihrer Ankunft in Hannover müssen sie zunächst in eine zweiwöchige Quarantäne, bevor sie auf verschiedene Bundesländer verteilt werden. Insgesamt will Deutschland 350 bis 500 unbegleitete Minderjährige aus den überfüllten griechischen Lagern aufnehmen.  

 

Malalay Alizade, 16 Jahre, aus Afghanistan 

"Es ist gut, dass die Kinder von Deutschland aufgenommen werden. Vielleicht werden wir auch eines Tages von hier befreit."  

 

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