Gespannte Lage am Mittelmeer Bewohner von Lesbos lassen Migranten nicht an Land
Es sind beklemmende Szenen, die sich auf der griechischen Insel Lesbos abspielen. Bewohner der Insel hindern Migranten daran, an Land zu gehen, fordern sie auf, zu verschwinden. Sie wehren sich gegen steigende Zahlen an Flüchtlingen, die seit wenigen Tagen auf der Insel vor der türkischen Küste ankommen.
Giorgos Christides, DER SPIEGEL:
"Nach vielen Tagen ohne Ankünfte sind gestern und vor allem heute mehr Menschen angekommen, nachdem der türkische Präsident Erdogan entschieden hat, sie nicht mehr davon abzuhalten, die Türkei in Richtung Griechenland zu verlassen."
Am Donnerstag ordnete der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan an, Flüchtlinge auf dem Weg über die Grenze nach Griechenland nicht mehr aufzuhalten. Der Schritt bedeutet das faktische Ende des Flüchtlingsdeals zwischen der Europäischen Union und der Türkei. Schon in den vergangenen Tagen spielten sich dramatische Szenen an der Grenze ab. Die griechischen Behörden sind überfordert – und haben es mit zwei Fronten zu tun.
Giorgos Christides, DER SPIEGEL:
"Einer davon ist Evros, wo etwa 15.000 Menschen darauf warten, die Grenze zu überqueren, aber von der Polizei aufgehalten werden. Und jetzt befürchten viele, dass die Inseln zu einer neuen Front werden. Vor allem Lesbos, was für Flüchtlinge aus Regionen, in denen Krieg herrscht, wie Syrien oder Afghanistan, seit Jahren ein Tor nach Europa ist."
Allein am Sonntag kamen bis zum Mittag mehr als 260 Menschen an. Gleichzeitig versucht die griechische Küstenwache gemeinsam mit Grenzschützern, weitere Migranten an der Ankunft zu hindern. Und auch diejenigen, die es doch schaffen, stehen vor den nächsten großen Problemen.
Giorgos Christides, DER SPIEGEL:
"Hinter mir sind Menschen, die heute gerettet worden sind. UNHCR-Leute und Mitarbeiter von NGOs versorgen sie mit Decken und anderem Lebensnotwendigen. Leider werden sie an einen sehr schlechten Ort gebracht, das Flüchtlingslager Moria weiter im Norden."
In dem Camp wohnen schon jetzt etwa 20.000 Menschen. Das sind fast siebenmal so viele, wie das Lager eigentlich aushalten kann. Die Migranten vor Ort leben in menschenunwürdigen Zuständen. Die Regierung plant derzeit ein neues Flüchtlingslager, aber erst vor kurzem sind Bürgerproteste gegen das Vorhaben in Gewalt eskaliert.
Giorgos Christides, DER SPIEGEL:
"Griechenland ist überfordert. Mehr als 40.000 Migranten befinden sich auf den Inseln. Und alle befürchten, dass, wenn die Zahlen tatsächlich einen neuen Höhepunkt erreichen, jetzt, wo auch das Wetter viel besser ist als es war, Griechenland Szenen erlebt, die es seit Anfang 2016 nicht mehr gesehen hat."
Die jüngsten Szenen auf der Insel deuten schon jetzt an, wie prekär die nächsten Tage und Wochen werden können.